Von verschiedenen Seiten kam seit 2012 die Anregung zur Seligsprechung von Romano Guardini (1885-1968).
Prof. Dr. Hanna Barbara Gerl-Falkovitz berichtete am 1. Oktober in der TAGESPOST∗ über den Stand der Initiativen. Daraufhin bildete sich ein Kreis von Freunden und Interessenten, der in den „Romano Guardini Mitteilungen“ über die weiteren Entwicklungen informiert wird.
Elisabeth Prègardier hat eine Aufstellung » „Neue Literatur über Romano Guardini, die im Umfeld von Mooshausen entstanden ist“ (PDF) verfasst, welche der ersten Ausgabe der „Romano Guardini Mitteilungen“ beilag. Bitte beachten sie auch den » Bildband über Romano Guardini unseres Mitglieds Max Oberdorfer und weitere Bücher der Kategorie „Romano Guardini“ in der Rubrik » „Bücher“
∗Die Tagespost, Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, Würzburg
Im Folgenden wird über die Ereignisse in zeitlicher Reihenfolge berichtet, den aktuellsten/letzten Beitrag finden Sie jeweils am Ende dieser Seite.
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Gebet um Seligsprechung
Herr Jesus Christus,
Du hast Deinen Diener Romano Guardini zu einem leuchtenden Lehrer und Erzieher der jungen Generation berufen und sie dadurch für die Kirche gewonnen.
Du hast ihn mit klarem Denken und treffender Sprache begabt, um Deine Wahrheit Vielen zu verdeutlichen.
Du hast seinen geraden Weg in schwierigsten Zeiten gestützt, so dass er zum Vorbild für Unzählige wurde, auch für den christlichen Widerstand im totalitären Staat.
Du hast ihn im Kampf mit der Schwermut und mancherlei Leiden gestärkt.
Du hast ihn mit der Gabe der Freundestreue ausgezeichnet.
Du hast sein Wirken als Priester und Prediger, auch für viele Außenstehende, mit spürbarem Segen verbunden.
Wir bitten Dich:
Schenke ihn uns zur Verehrung,
damit die Menschen von heute die Heiligkeit Deiner Kirche erkennen,
damit sich auch die junge Generation für Dich entflammt,
damit Menschen in seelischen und leiblichen Leiden durch sein Beispiel aufgerichtet werden,
damit die Heiligkeit Gottes neu wahrgenommen wird.
Ehre sei dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, jetzt und immer und in Ewigkeit. Amen
» Gebetsbild Deutsch (PDF)
» Gebetsbild Italienisch (PDF)
» Gebetsbild Französchisch (PDF)
» Gebetsbild Englisch (PDF)
» Gebetsbild Spanisch (PDF)
» Gebetsbild Russisch (PDF)
» Artikel vom 1. Okt. 2013 in der TAGESPOST∗ (PDF)
» Neue Romano Guardini Literatur (PDF)
» Mitteilungen Nr. 1, Februar 2013 (PDF)
» Mitteilungen Nr. 2, August 2014 (PDF)
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Von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
In aller Stille war Romano Guardini (1885-1968) im Juli 1997 von dem kleinen Priesterfriedhof der Oratorianer-Kirche St. Laurentius in München in die rechte Seitenkapelle der Universitätskirche St. Ludwig in München umgebettet worden. Da bis dahin auch viele Münchner nicht wußten, wo sie das Grab des verehrten Lehrers aufsuchen sollten, war diese Umbettung in die unmittelbare Nähe der Universität, das Herz der akademischen Stadt, von großer Bedeutung.
Der 130. Namenstag Guardini führte am 28. Februar 2015, dem Tag des hl. Einsiedlers und Ordensgründers Romanus von Condat (+ um 465), etwa 200 Besucher am Nachmittag um 15 Uhr in die Kirche. Anstelle der ursprünglich vorgesehenen Seitenkapelle füllte sich das Hauptschiff über alle Erwartung hinaus gänzlich. Aus Isola Vicentina, wo die Villa der Mutter und Brüder Guardinis steht und wo sich die Grablege der Familie befindet, waren mit einem Bus (in Tagesreise!) 26 italienische Gäste gekommen; darunter der Rektor der Theologischen Hochschule Monte Berico in Vicenza, einige Mitglieder des Pastoralrates und der Vize-Bürgermeister (mit italienischer Schärpe). Geleitet wurden sie von Prof. Giuliana Fabris, die seit Jahren in Isola und auf dem Monte Berico Konferenzen zu Guardini organisiert, so auch wieder Ende September 2015, und sich für seine Verehrung und Anrufung mit Hingabe einsetzt.
Eingeladen hatten Pfarrer Markus Gottswinter von St. Ludwig und der Freundeskreis Mooshausen e.V. Ein bewegender, würdiger Gottesdienst wurde zelebriert von Bischofsvikar Rupert zu Stolberg, Pfr. Markus Gottswinter, Prof. Dr. Andreas Wollbold von der Univ. München und dem Guardini-Forscher Prof. Dr. Alfons Knoll von der Univ. Regensburg. Sehr schön waren Organist Stephan Heuberger und der Kirchenchor auf den Anlaß eingegangen: mit einer lateinischen Choralmesse und Chorsätzen von Joseph Rheinfelder und Felix Mendelssohn-Bartholdy. Die Tagesmesse enthielt das Evangelium von der Feindesliebe, über das Bischofsvikar zu Stolberg mit Hinweisen auf die Auslegung Guardinis in „Der Herr“ predigte. Die Gestimmtheit in der Kirche war von spürbarer Andacht und einer Art feierlicher Gelöstheit geprägt; sie übertrug sich anschließend auf den Besuch des Grabes, wobei die Kapelle nur ein Viertel der Besucher fassen konnte. In der Kapelle brannte – wie schon seit längerem – eine hohe Kerze neben einem prachtvollen Strauß; auch sonst liegen nun auch immer Blumen am Grab, eine Spende der Freunde von Mooshausen. Die Fürbitten um Seligsprechung des großen Lehrers wurde von Bischofsvikar zu Stolberg laut gesprochen; die italienische Gruppe brachte ein Blumengesteck mit der Tricolore Italiens zum Grab und betete ein Ave Maria.
Danach wurde im überfüllten Pfarrsaal von St. Ludwig ein Vortrag zu Leben und Bedeutung Guardinis mit ausgewählten Fotos, auch von Burg Rothenfels, gehalten; am Ende der Bilder standen die Totenmaske (in der Katholischen Akademie in Bayern) und dann ein unbekanntes Meisterwerk der Bildhauerin Maria Elisabeth Stapp (1908-1995): Guardini steht als König an der Weihnachtskrippe (neben Josef Weiger als einem Hirten), heute in der Villa Guardini befindlich. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz betonte thematisch die „angefochtene Zuversicht“, die Guardini in seinem Wirken begleitete. Seine unerhörte Fähigkeit der Jugendführung, auf Burg Rothenfels ausgeprägt, bewies sich auch in der Erziehung des Leibes zu „Haltungen“: Schreiten, Sitzen, Gehen, Stehen … in ihrer Rückwirkung auf die Seele: Aufrichtigkeit, Gespanntheit, Lebendigkeit. Die Zusammenarbeit mit dem Bauhaus-Architekten Rudolf Schwarz schärfte an Guardini die Gabe, sich der ästhetischen Herbheit der Moderne zu stellen, um jugendbewegte Romantik in eine Kulturbewegung großen Ausmaßes zu überführen. Was in diesem ver sacrum catholicum, dem heiligen katholischen Frühling, bis 1933 an Weltverhältnis und Bindung an die Kirche, an Selbstbildung und Christus-Bezogenheit grundgelegt wurde, kam nach 1945 wieder zum Vorschein, als die neue Bundesrepublik Deutschland gebaut wurde: Die von Guardini geprägten Jugendlichen der 20er und 30er Jahre wurden zu Trägern einer neuen Politik und Kultur. Wie tief diese Prägung ging, zeigt sich auch an dem deutschen Martyrologium der Nazizeit: Rund dreißig Namen christlicher Martyrer, darunter auch Willi Graf und die Geschwister Scholl der Weißen Rose, sind mit Werk und Person Guardinis verbunden.
Begleitend zu dem Vortrag im Pfarrsaal überreichten die italienischen Gäste zwei Wimpel und Bücher zu den Bauwerken Palladios im Veneto und in Vicenza. Es herrschte eine herzliche und offene Atmosphäre der Freundschaft. Einige der Anwesenden waren als (Paten-)Kinder und Jugendliche Guardini begegnet, andere hatten ihn noch in den Universitätspredigten oder Vorlesungen im Münchner Auditorium maximum gehört (1948-1962), wieder andere noch in Tübingen (1945-1948), bei Vorträgen oder auf „der Burg“. Erstaunlich blieb, daß bis aus Berlin und Westfalen Gäste angereist waren; zudem gab es viele, die wegen Grippe fernbleiben mußten; es kamen aber auch Grüße bis aus Boston und ein Gruß von Kardinal Walter Kasper aus Rom…
Die letzte Station des Tages sollte die Kirche Hl. Blut in Bogenhausen werden. Guardini wohnte in der naheliegenden Merzstraße und feierte bis zu seinem Tod am 1. Oktober 1968 sonntags oft die 11 Uhr-Messe mit Predigt in Hl. Blut. Da Pfarrer Engelbert von der Lippe erkrankt war, mußte ein Blick in die Kirche genügen (sie weist auch eine ungewöhnliche Statue des hl. Joseph von Maria Elisabeth Stapp auf). Doch fand sich noch ein kleiner Gesprächskreis im Pfarrsaal zusammen, der Erinnerungen austauschte und die Frage erörterte, ob eine Seligsprechung Guardinis „notwendig“ sei. Eine Antwort lautete, er selbst bedürfe dessen nicht, doch sei sein Werk tatsächlich notwendig zu einer neuen Befruchtung theologischen Denkens, gerade im Blick auf die zeitgenössisch-agnostische Kultur – der Gaurdini auch seinerzeit schon vielbegangene Brücken zum Christentum baute. Nicht zuletzt Joseph Ratzinger, damals Theologiestudent im zerbombten München, hat mehrfach die Weite und Tiefe der theologischen Arbeit des unvergessenen Lehrers betont. Guardinis Erbe ist unerschöpft und unveraltet.
Die Summe dieses dicht gefüllten Tages lautet: Die vox populi, die für eine Seligsprechung erforderlich ist, hat deutlich ihre Stimme erhoben.
Fürbitten
Herr Jesus Christus,
Du hast Deinen Diener Romano Guardini zu einem leuchtenden Lehrer und Erzieher der jungen Generation berufen und sie dadurch für die Kirche gewonnen.
Wir bitten Dich:
Schenke ihn uns zur Verehrung,
damit die Menschen von heute die Heiligkeit Deiner Kirche erkennen.
Du hast ihn mit klarem Denken und treffender Sprache begabt, um Deine Wahrheit Vielen zu verdeutlichen.
Schenke ihn uns zur Verehrung,
damit sich auch die junge Generation für Dich entflammt.
Du hast ihn im Kampf mit der Schwermut und mancherlei Leiden gestärkt:
Schenke ihn uns zur Verehrung,
damit Menschen in seelischen und leiblichen Leiden durch sein Beispiel aufgerichtet werden.
Du hast seinen geraden Weg in schwierigsten Zeiten gestützt:
Laß ihn zum Vorbild für Unzählige werden, auch für den christlichen Widerstand in einem möglichen totalitären Staat.
Du hast ihn mit der Gabe der Freundestreue ausgezeichnet.
Schenke ihn uns zur Verehrung, damit die brüchigen Ehen und verletzten Beziehungen geheilt werden.
Du hast sein Wirken als Priester und Prediger, auch für viele Außenstehende, mit spürbarem Segen verbunden:
Schenke ihn uns zur Verehrung,
damit die Heiligkeit Gottes neu wahrgenommen wird.
Das erbitten wir durch den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, jetzt und immer und in Ewigkeit. Amen
Mitschnitt der Veranstaltung (R.Ewald) im Pfarrsaal
mit Vortrag von Prof. H-B. Gerl-Fallkovitz, » Audiodatei mp3 80 MB
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Wallfahrt nach St. Ludwig erinnert an den großen Theologen
Annette Krauß in der „Münchner Kirchenzeitung“ vom 8. März 2015
„Romano Guardini hat in St. Ludwig immer ohne Mikrophon gepredigt.“ Mit diesen Worten erinnerte die Philosophin Professor Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz an den großen Theologen, der am 17. Februar vor 130 Jahren in Verona zur Welt gekommen ist. Sein Namenstag, der Gedenktag des heiligen Abtes Romanus am 28. Februar, war Anlass für eine Wallfahrt des „Freundeskreis Mooshausen“ an Guardinis Grab in der Münchner Ludwigskirche. Guardini hatte in den Jahren 1943 bis 1945 im schwäbischen Mooshausen gelebt und war von 1948 bis 1962 Professor für Religionsphilosophie und christliche Weltanschauung in München, wo er 1968 starb.
Bischofsvikar Rupert Graf zu Stolberg begrüßte „Freunde und Verehrer von Guardini“ – darunter auch eine Delegation aus Italien – zu einer feierlichen Messe „im Geist der Liturgie, die Romano Guardini mitgeprägt hat“. In seiner Predigt zur Auslegung der Bergpredigt konstatierte der Bischofsvikar: „Wenn Gott nur diejenigen lieben würde, die ihn lieben, hätte die Welt nicht mehr viel zu erwarten.“ Gott aber gehe sozusagen in Vorleistung, und der Anspruch Jesu Christi laute, „zu lieben – unabhängig, ob mir Hass oder Liebe entgegenkommt.“ Auch in der Kirche, so Stolberg, „müssen wir uns fragen, ob unser Handeln der Bergpredigt entspricht oder ob es eine Reaktion ist auf das, was uns aus der Gesellschaft entgegenprallt“. Und er erinnerte an ein Wort Guardinis: „Wenn Gott von uns erwartet, siebensiebenundsiebzigmal zu vergeben, dann wird er unendlichmal siebenundsiebzigmal vergeben.“
Guardinis Lebensweg beleuchtete die Philosophin Gerl-Falkovitz im Pfarrsaal anhand ausgewählter Fotografien. Unter dem Titel „Angefochtene Zuversicht“ erinnerte sie daran, dass Guardini, der als Einjähriger mit den Eltern nach Deutschland gezogen war, ein eher scheuer Mensch gewesen sei. Über Umwege im Studium habe er schließlich in der Berliner Dominikanerkirche zu seinem Berufswunsch gefunden, Priester zu werden. Fruchtbar waren die Jahre 1927 bis 1939 als Leiter des christlichen Bildungshauses auf Burg Rothenfels am Main, wo ein neuer liturgischer Geist auch in der Gestaltung der Kapelle ihren Ausdruck fand. In München habe er dann einmal nach einer Messe in sein Tagebuch notiert: „Von fern und andeutend: Gott.“ Die Wallfahrt des „Freundeskreis Mooshausen“, der den Seligsprechungs-Prozess vorantreiben möchte, fand ihren Abschluss in der Bogenhausener Pfarrkirche Heilig Blut, der letzten Wirkungsstätte von Guardini.
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Am 18. Juli 2016 hat Kardinal Reinhard Marx bekannt geben lassen, dass die Eröffnung des Seligsprechungsprozesses bevorstehe.
Wir sehen mit großer Freunde, dass das Seligsprechungsverfahren für Romano Guardini nun angelaufen ist!
Siehe hierzu aktuell
Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
Die Zeit seiner Seligsprechung scheint gekommen.
erschienen in Die Tagespost am 22.7.2016
Romano Guardini starb vor 48 Jahren im ominösen Jahr 1968 und ruht seit Juli 1997 in St. Ludwig, im Herzen der Münchner Universität. Eine kleine Gruppe italienischer Verehrer wandte sich 2012 nach Norden, um Mitstreiter für eine Seligsprechung des Unvergessenen zu finden, der aufgrund einer eben erscheinenden italienischen Gesamtausgabe auch sein Geburtsland „erobert“. Die Frage war, ob man nicht Papst Benedikt XVI. das Anliegen vortragen könne, der ihn häufig in seinen Ansprachen zitierte, sogar noch zweimal in der letzten Rede Ende Februar 2013 an die Kardinäle. Tatsächlich schrieb der Papst wörtlich und freudig zustimmend im Juli 2012: „So könnte dieser große Meister des Denkens auf den Glauben hin und im Glauben mit einem neuen Gewicht in der Öffentlichkeit der Kirche und der Welt stehen.“ Kardinal Reinhard Marx hat nun am 18. Juli bekanntgeben lassen, daß die Eröffnung des Seligsprechungsprozesses bevorstehe.
Damit rückt ein stiller Mann erneut ins Licht der Öffentlichkeit, das ihn zu Lebzeiten bereits begleitete. Guardini war durch sein italienisch-deutsches Leben, sein Priestertum und seine universitäre Lehre verankert an mehreren Orten. Geboren wurde er am 17. Februar 1885 in Verona nahe der Arena, lebte als Kind, Gymnasiast und dann Kaplan bis in seine Habilitationszeit 1920 in Mainz, verbrachte häufig die Ferien im Wohnort seiner Mutter, zuerst am Comer See, dann in Isola Vicentina bei Vicenza, wohnte als Professor für christliche Weltanschauung in Berlin, Tübingen und München. Und natürlich auf Burg Rothenfels am Main, wo er zwischen 1920 und 1939 seine Meisterschaft der Jugendführung erwarb. Auch andere Institutionen und Orte rücken ins Licht: die Katholische Akademie in München, die Guardini mit einer Ansprache eröffnete; die Guardini Stiftung in Berlin, die sein Andenken mit einer Stiftungs-Professur hochhält (während in München der Guardini-Lehrstuhl gerade geschlossen wird); und nicht zuletzt das kleine Mooshausen bei Memmingen, wo Guardini während des Krieges 1943-1945 Zuflucht im Pfarrhaus seines Freundes Josef Weiger fand.
Stimmen über Jahrzehnte hinweg
Worin leuchtet nun nach so vielen Jahren der Glanz seines Denkens und mehr noch seiner Person auf?
„Als Guardini neulich in unserem Kreise saß, im Dunkel des Rittersaales, nur durch den milden Schein einer Kerze bestrahlt, da mußte ich unwillkürlich an den Heiland denken, wie er umgeben von seinen Jüngern lehrte. Ein herrlich mild gütiges Gesicht, voller Bescheidenheit, Demut, allein durch die Kraft der Wahrheit wirkend. Ich will den gütigen Menschen nie vergessen. Vieles hat er mir geschenkt.“ So notierte ein junger Quickborner und späterer Atomphysiker, Kurt Jaroschek, im August 1920 auf Burg Rothenfels am Main in sein Tagebuch, über einen damals fast noch unbekannten 35jährigen Priester – der unverhofft alle in seinen Bann schlug.
Ein viel späteres Zeugnis über den berühmt gewordenen Berliner Professor schreibt eine junge Künstlerin und spätere Konvertitin, Anny Schröder, aus Berlin am 15. Juni 1944 an P. Willibrord Verkade in Beuron: „Es kann einen wohl nachdenklich machen, daß in eine Zeit, die so ohne Boden ist, wo alles schwankt, ein Mann gestellt wird wie Guardini, mit diesem, alles an seine richtige Stelle bringenden, klaren sauberen unbestechlichen Geist. Bei Guardini geriet ich nie in den Zustand des Nichtverstehenkönnens. – Der Herrgott behüte ihn für alle. Ganz muß er uns doch nicht verworfen haben, sonst hätte er nicht diese Hilfe gesandt.“ Oder eine heiligmäßige evangelische Christin, Margarete Dach, notiert ebenfalls in der Nazizeit: „…ein Goldwäscher ist der Mann.“
Zahllose andere Aussagen in den Nachkriegsjahren, als Guardini in Tübingen (1945-1958) und dann in München (1948-1962) lehrte und predigte, ließen sich anführen. Daß auch die Weiße Rose, insbesondere Willi Graf, aus Guardinis Schriften gelebt hat, ist bekannt. Für die junge Widerstandsgruppe hieß das bewegende Stichwort „Wahrheit“. Gerade diese Anstrengung um die Wahrheit wurde offenbar im Auditorium ebenso wie in der Ludwigskirche in München gespürt. Und Wahrheit war in Guardinis Augen zutiefst von Absichtslosigkeit begleitet. Viel später schrieb er in seiner fragmentarischen Autobiographie „Berichte über mein Leben“ im Rückblick auf manche Predigten, gänzlich uneitel: „Die Wahrheit ist eine Macht; aber nur dann, wenn man von ihr keine unmittelbare Wirkung verlangt (…) Wenn irgendwo, dann ist hier die Absichtslosigkeit die größte Kraft. (…) Manchmal, besonders in den letzten Jahren, war mir zu Mute, als ob die Wahrheit wie ein Wesen im Raum stünde.“
Der Eros des Erziehers
Aber es war nicht eine selbstgenügsame Wahrheit, aus der Abstraktion geboren. Der Philosoph Max Scheler, der den jungen Privatdozenten 1922 in Bonn traf, erkannte auf den ersten Blick in ihm nicht nur die „Ordnung“ des Glaubenden, sondern den Eros des Erziehers; Scheler, selbst glaubensmäßig zerrissen, bezeichnete ihn noch kurz vor seinem Tod als den „deutschen christlichen Pädagogen schlechthin“. Diesen Lehrer von fast drei Generationen deutscher Jugend nannte Abt Hugo Lang OSB einen Praeceptor Germaniae.
Mit der Seligsprechung würde man also in Guardini nicht allein einen Theologen gewinnen, sondern vor allem einen ungewöhnlichen Erzieher, einen Meister der Menschenbildung. Schon in seinem ersten Berliner Semester 1923 formulierte er: „Liebe ist zugleich Ehrfurcht. Sie tastet nicht andere an, herrscht nicht, vergewaltigt nicht, sondern dient. Das beste Werk der Liebe ist, andere zu ihrer wahren Freiheit zu bringen, gleichviel ob die Liebe von Eltern zu Kind, Erzieher zu Zögling, Geschlecht zu Geschlecht gemeint ist.“
Diese Sätze waren nicht am Schreibtisch entwickelt. Guardini hatte seit 1915 in Mainz an der Juventus (einer kirchlichen Jugendgruppe) und seit 1920 in Rothenfels seine Meisterschaft in der Jugendführung entfalten können. In Rothenfels gingen Tausende von Heranwachsenden durch seine Schulung. Programmatisch schrieb er dazu 1928 an die Gruppenleiter: „Was immer wir gesagt haben, hatte seinen Sinn nur innerhalb der Tatsache: Daß dieser lebendige Mensch da ist. Sein Da-Sein ist der Erziehung entzogen. Er tritt ein in die Wirklichkeit, mit seinem Schicksal in sich. Er tritt ein mit Gesetzen, Kräften, Forderungen. (…) Es ist ein Geheimnis, daß wir einmal begonnen haben, zu sein; als diese Menschen. Da empfingen wir unsere Wirklichkeit in uns; Möglichkeit und Grenze. Und was da wurde, begann sich zu rühren und zu schaffen. Das ist unser Glück und unsere Last. Und alles, was Erziehung heißt, bedeutet nur, dienend, helfend, heilend innerhalb dieses Geheimnisses bleiben. Dort hat es seine Sicherheit.“ Ja, dieser Dienst hat sogar zur rechten Zeit zurückzutreten, wie Guardini seit 1921 in den Briefen über Selbstbildung ausführte. Diese Briefe sind ein elementarer Wurf. Denn darin schält sich der entscheidende Überschritt heraus: sich letztlich nicht von anderen führen zu lassen, sondern sich selbst zu führen. Damit war der Sinn aller pädagogischen Bemühung getroffen: aus der Fremderziehung zur Selbstbildung überzuleiten.
Anschauung der Welt mit dem Blick Christi: der Professor
Eine kühne Kennzeichnung des universitären Lehrers könnte lauten: „Er ist ein Denker augustinischen Geblüts; von jener Art, darin sich Metaphysik und tiefes Wissen um die Seele verbinden. Zugleich ein Humanist, von feiner Kultur des Wortes. Und ein Erzieher jener großen Art, die mit geringstem Aufwand erzieht; durch das, was sie ist, durch die Atmosphäre, die sie schafft, und eine lebenzeugende, aus ruhiger Schönheit schwingende Liebe. Er ist noch mehr gewesen: ein confessor, der einen großen Kampf mit unüberwindlicher, aber ganz stiller Kraft führt.“ Kühn ist diese Kennzeichnung, weil sie von Guardini selbst 1924 auf den großen mittelalterlichen Denker Anselm von Canterbury geschrieben wurde. Dennoch enthält sie so viel von ihm selbst, daß sie tatsächlich den ruhig schaffenden, unerhört wegweisenden Lehrer porträtiert. Guardini wirkte im Konzept seiner „christlichen Weltanschauung“, wie er sie ab 1923 an der Berliner Universität entwickelte, immunisierend gegen die Nationalsozialisten. In den christlichen Blick auf die Welt bezog Guardini große abendländische Gestalten ein (Sokrates, Augustinus, Dante, Hölderlin, Rilke, Kierkegaard und viele andere); mit ihnen blickte er prüfend auf die „Sachhaltigkeit“ des Christentums und stellte diese Gestalten umgekehrt unter das Maß der Offenbarung – so wagte er zum Beispiel, Rilke christlich zu kritisieren. Sein Berliner Hörer Victor von Weizsäcker formulierte: „Immer muß er einen Ketzer an seine Brust drücken und mit ihm ringen. Karl Barth ist imposant, Josef Wittig ist liebenswert, Guardini ist ergreifend.“
Auch in Tübingen und München füllte er jeweils das Auditorium Maximum. In diesen Jahren war sein Denken von der geistigen Überwindung des Nationalsozialismus gekennzeichnet. Seine Vorlesungen kreisten mit großer denkerischer Energie um Ethik (erst 1993 kamen zwei Bände „Ethik“ heraus), um Anthropologie und schließlich um die Gottesfrage. Zugleich folgen späte Ehrungen durch Kirche und Öffentlichkeit (darunter der „Friedenspreis des deutschen Buchhandels“ 1952), aber auch die letzten, schmerzlich von einer Gesichtsneuralgie verdunkelten Jahre. Die Tagebücher „Wahrheit des Denkens – Wahrheit des Tuns“ (postum 1976) und die „Theologischen Briefe an einen Freund“ (postum 1980) zeigen jenen Guardini, der in seinem Alter mit der Angst vor der Endlichkeit ringt. Nur in der Öffnung auf den Schöpfer wird die dunkle, mächtige, verschlossene, endliche „Erde“ von sich selbst gelöst. Die „Natur“ ist nicht einfachhin das Richtige oder gar selbst Göttliche: Der heutigen „Naturgläubigkeit“ hätte der große Lehrer zutiefst widersprochen. Denn die Natur trägt nichts anderes als das Siegel der Endlichkeit, sie ist Leben, das immer wieder im Tod untergeht. Gott ist für den späten Guardini Antwort auf diese Bedrohung; er ist Lösung aus dem verzehrend Endlichen („Die letzten Dinge“, 1940). Dieser Verheißung zu trauen, heißt den Bann des bloß Natürlichen zu brechen, heißt Blut und Geist, Sehnsucht und Denken zusammenzubringen – was die selten geübte Kraft des Herzens ausmacht.
Reichtum des Erbes
Der große Deuter des menschlichen Daseins hat sich zu vielen Themen geäußert. Bei einer der berühmten Umfrage, welche zehn Bücher man auf eine Insel mitnehmen würde, stand in den 1950er Jahren „Das Ende der Neuzeit“ auf dem ersten Platz. Was Guardini hier zum Bestehen der übermäßigen Machtfülle durch die Technik an behutsamen und zugleich unnachgiebigen Vorschlägen aus christlicher Erhellung sagt, liest sich heute unabsichtlich modern und wurde ausgiebig in „Laudato Si’“ zitiert.
Aber schon vor seinem Tod legte sich ein Schweigen auf ihn, das für rund 20 Jahre anhielt. Beim 100. Geburtstag im Jahre 1985 zeigte sich jedoch, daß über alles Zeitgebundene hinweg erneut etwas Ursprüngliches, der Charakter des Wahren und Richtigen in Guardinis Werk hervortritt. Wer es versuchen will: Nach wie vor ist „Der Herr“ (1938) eine in seiner Art unübertroffene Auslegung Christi. Daneben steht der klassische Erstling „Vom Geist der Liturgie“ (1918); ferner die großen Deutungen der Literatur: das Hölderlin-Buch (1937), „Religiöse Gestalten in Dostojewskijs Werk“ (1932), die mehrfachen Dante-Studien, aber auch die kulturkritischen Arbeiten „Die Macht“ (1951), „Der Heilbringer in Mythos, Offenbarung und Politik“ (1947), die frühen „Briefe vom Comer See“ (1927).
Guardinis Werk ist deswegen so bezwingend gewesen – und es zeichnet sich ab, daß sich dieses Bezwingende wieder einstellt -, weil seine Schriften aus einer tiefen Verflechtung von Person und Gedanken stammen. Tatsächlich, unsentimental zu hören: eine „Theologie des Herzens“. Professoren gibt es viele; mit Guardini erhält die Kirche einen Confessor, einen Bekenner und Menschenbildner.
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Aus dem 550 Kilometer entfernten Isola Vicentina, dem Stammsitz der Familie Guardini, machten sich am 3. August 2017 Giuliana Fabris, Mitinitiatorin des Seligsprechungsprozesses, und ihre Schwester Mariagrazia Fabris gemeinsam mit ihren Ehemännern Albano Berlaffa und Gildo Mazzocato auf nach Deutschland. Erste Station ihrer Studienreise auf den Spuren Romano Guardinis war das Alte Pfarrhaus in Mooshausen.
Mit besonderem Interesse, aber auch zur sprachlichen Unterstützung war freundlicherweise Dr. Johannes Modesto, Postulator im Seligsprechungsprozess für Romano Guardini und Fritz Gerlich, aus München angereist.
In entspannter Atmosphäre fand bei Kaffee und Kuchen sowie einer Führung durch die Räume ein reger deutsch-italienischer Austausch statt. Der abschließende Besuch der Gräber von Pfarrer Weiger und M.E. Stapp und der Dorfkirche wurde dort vor dem Marienaltar spontan mit einem sonoren Ave-Maria-Solo von Dr. Modesto gekrönt. Ein neues Band ist geknüpft, und wir sind gewiss: Die Schwestern Fabris und ihre Ehemänner bleiben uns in Freundschaft verbunden.
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Besuch einer Gruppe aus dem Priesterseminar München am 3. Dezember 2017
von Dr. Wolfgang Lehner
Wie kommt Romano Guardini nach Mooshausen, in die württembergische Provinz? Was macht der Denker der “christlichen Weltanschauung” in einem Weiler an der Iller, von dem er obendrein behauptet, dort sei seine “innere Heimat” gewesen?
Bis heute erzählt der barocke Pfarrhof von einer ungewöhnlichen Geschichte, die bis vor die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurückreicht: Josef Weiger war von 1917 bis 1966 Pfarrer in Mooshausen und zugleich Hausherr in einem Pfarrhof von ungewöhnlicher geistiger Weite. Seit Studententagen war er mit Guardini befreundet; zum Interesse an Theologie und Phlosophie kam bei Weiger auch ein Sinn für Kunst und Kultur. Die Bildhauerin Maria Elisabeth Stapp hatte im Pfarrhof ihr Atelier eingerichtet, die Maler Wilhelm Geyer und Victor Ostroumov gehörten ebenso zu den regelmäßigen Gästen wie der Dirigent Eugen Jochum. So spielte sich im Pfarrhaus Mooshausen in den 1920 bis 1960er Jahren ein reges geistiges und kulturelles Leben ab, dessen Verbindungen bis zum Widerstandskreis der Weißen Rose reichten.
In Mooshausen fand schließlich auch Romano Guardini eine Bleibe, der im Herbst 1943 Berlin verlassen musste. Seine Welt war auf einen Schreibtisch zusammengeschrumpft; vom Fenster seines Zimmers aus konnte er die Fliegerstaffeln sehen, die ihre Luftangriffe auf München flogen. In dieser für ihn sichtbaren Apokalypse fand Guardini im Mooshausener Pfarrhof tatsächlich so etwas wie eine “innere Heimat.”
Für die Seminargruppe “Romano Guardini” bot eine Tagung des Freundeskreises Mooshausen eine willkommene Gelegenheit, nicht nur zur theologischen, sondern auch zur zeitgeschichtlichen Spurensuche. Prof. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz führte kenntnisreich durch den Mooshausener Pfarrhof und seine reichen Erinnerungen; ihr Vortrag zum Thema “Das Werden im Denken Guardinis” ließ die Welt des Mooshausener Kreises anschaulich und lebendig werden.
Der am 16. Dezember beginnende Prozess der Seligsprechung Romano Guardinis wird im Priesterseminar nicht nur als äußeres Ereignis mit großer Anteilnahme lebendigt verfolgt werden, sondern auch von innen heraus – mit der Fragestellung: Was kann Guardinis Denken uns und unserer Zeit sagen?
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Ein persönlicher Eindruck
vom Festgottesdienst am 16. Dezember 2017
im Liebfrauendom zu München
von Paul Metzlaff
Die Gassen der Münchener Innenstadt sind überfüllt von Geschäftigen. Wir zwängen uns vom Marienplatz in Richtung Liebfrauendom. Es geht nur noch vorbei am überfüllten „Andechser am Dom“, also dem heiligen Berg vor dem Zentrum der Erzdiözese, in dem laut lachend und gespannt lauschend die Fußball-Bundesliga verfolgt wird: Warten auf die Erlösung durch das nächste Tor.
Im Dom angelangt, beeindrucken das sanfte Licht, die angenehme Wärme und die tragende Stille. Obwohl die von Erzbischof Reinhard Kardinal Marx zelebrierte Festmesse erst in 30 Minuten beginnen soll, ist die Kirche schon sehr gut gefüllt. Sogleich fallen mir viele Personen mit gelben Halstüchern ins Auge: es sind viele Pilgerinnen und Pilger aus Isola Vicentina, dem letzten Wohnort von Guardinis Mutter.
In der Zeit der Vorbereitung betrachten wir die eigens angefertigte Messbroschüre und die darin enthaltenen fein gestalteten Gebetsbildchen für Romano Guardini und Fritz Michael Gerlich, die zur Anschaffung nur empfohlen werden können. Sie führen ins Leben beider ein und enthalten v.a. das Gebet zur Seligsprechung. Sodann hebt die Orgel zum festlichen Einzug an und die sehr gut gefüllte Münchener Kathedrale erlebt einen herrlichen und erhebenden Festgottesdienst: Leben in der Erlösung.
Der Prozess zur Seligsprechung wird auf Bitte des Postulators, Herrn Dr. Johannes Modesto, von Reinhard Kardinal Marx am 16. Dezember 2017 direkt nach der liturgischen Begrüßung eröffnet. Vor dem Schlusssegen erfolgt dann die Vereidigung aller am Prozess Beteiligter. Ein Gerichtsverfahren wird also eingeleitet, wie Kardinal Marx hervorhob, aber nicht eines der Angst und Hoffnungslosigkeit, sondern eines der Freude und Zukunft. Gerade die rechtlich erscheinenden Formeln beeindruckten mich. Hier geht es nicht um Belangloses und Geschäftiges, nicht um Vorüberziehendes oder Vergängliches, sondern um die tiefe Verbindung zweier Zeugen mit der Kirche Jesu Christi, um Zeugen, die offiziell in die Liturgie der Kirche, ihren lebendigsten Vollzug, eingegliedert werden sollen.
Kardinal Marx verband in seiner Predigt über Joh 1,6-8.19-28 die Vorläuferschaft Johannes des Täufers mit den beiden Glaubenszeugen der Gegenwart. Wie er waren sie Zeugen für Jesus Christus in schwieriger Zeit. Als solcher Zeuge möge Romano Guardini heute immer mehr zum Vorbild werden für alle, die um die Erziehung der Jugend bemüht sind, für alle, die in der Theologie tätig sind und für alle, die nach den Wurzeln Europas suchen. Bis er offiziell zum Patron erhoben wird, werden noch einige Jahre vergehen: Advent. Bis dahin liegt es an uns, für seine Seligsprechung im Gebet einzutreten und ihn um seine Fürsprache zu bitten.
Informationen zur Seligsprechung, das offizielle Gebet und eine Audiodatei von der feierlichen Eröffnung können eingesehen werden unter » www.romanoguardini.de. (ext. Link)