Mooshausen Medien » Bericht vom Guardini-Studientag 2024

Pluralität und (der Zwang zur) Entscheidung

Pfarrer Marc Grießer, Guardini-Kenner aus der Seelsorge-Einheit Leutkirch, erarbeitete am 16. März 2024 zusammen mit seinem Auditorium Texte von Romano Guardini.

 „Cave Idus Martiæ!“ – „Hüte Dich vor den Iden des März!“ gilt auf positive Weise auch für die Guardini-Tagung Mitte März 2024. Man könnte ja eingefahrene und damit bequeme Gewohnheiten über Bord werfen und Glaube neu denken müssen.

Manchen Teilnehmern mag das mit dem diesjährigen Thema so gegangen sein. „Pluralität und Entscheidung“ heißt der Aufsatz, in dem Guardini die Auflösung der Einheit im christlichen Glauben erkennt, wie sie im Mittelalter weitgehend gegeben war. So entsteht Pluralität, in der wir heutzutage überwiegend denken und leben.

Romano Guardini stellt in seiner Betrachtung klar, wie dieser Zerfall schnell zur Relativierung von Werten geführt hat. Wenn keine gemeinsame Basis die Menschen verbindet, kann eine falsch verstandene Freiheit Ängste schüren. In der Folge gewinnen Bewegungen an Attraktivität, die Freiheit leugnen.

Pfarrer Marc Grießer vergleicht die Ausführungen von Guardini mit denen der US-amerikanischen Theologen Volf und Croasmun, die den Begriff „häretischer Imperativ“ geprägt haben und damit aufzeigen, dass in dieser modernen freien Welt der Zwang zum „Auswählen, was man tun muss“ fast zwanghaft geworden ist und nicht wenige Mitmenschen schlichtweg überfordert. Jeder muss also für sich ganz individuell seinen Weg für ein erfülltes Leben finden. „Folge Deinem Traum!“ ist da nur eines von vielen Schlagworten. Heerscharen von Experten, die eigentlich aufzeigen sollten, was gutes Leben ausmacht, müssen nun neutral beschreiben, welche Optionen es gäbe. Und wer selbst als Pseudo-Experte nicht vom Markt gefegt werden will, der kommt letztlich zum Schluss, dass jede Wahl gut ist. Das wiederum führt dazu, dass Menschen einem Kunstmaler gleichen, der solange nach dem Pinsel sucht, bis er vergessen hat, was für ein Lebensbild er sich malen will. Solch Verhalten führt über die scheinbare Individualisierung zu Relativismus und damit zur Sinnlosigkeit.

Auch die Werbeindustrie ist längst auf diesen Zug nach nirgendwo aufgesprungen:

„Schisma! – DER neue Herrenduft, den jeder Mann haben muss. Individuell wie Sie!“

Natürlich findet auch ein Religionsphilosoph wie Romano Guardini keine einfache Antwort auf diese Problematik, stellt aber die Philosophie des Sokrates in den Raum. Dieser sucht nach dem, was verbindlich ist und deswegen verbindet. Und natürlich ist es sinnvoll, die Vielfalt als Stärke wahrzunehmen, aber die Vielfalt darf nicht einfach nur Selbstzweck sein, sondern muss der Einheit dienen. Das hat schon Paulus erkannt und im Brief an die Korinther niedergeschrieben.

Guardini unterscheidet interessanterweise die psychologische von der inhaltlichen Freiheit. Letztere heißt eben auch, Werte zu verwirklichen und jeder Situation entsprechend angemessen zu handeln.

Mit dem diesjährigen Tagungs-Thema konnte der Verfasser dieser Zeilen erst wenig anfangen, durfte letztlich aber doch erhellt, wenn auch nachdenklich zum tagesabschließenden Choralamt mit der Schola Cantorum Lorchensis in das Mooshauser Kirchlein wallen. Die Predigt dort war durchaus als fulminanter Schlussakkord in Form einer Kurzvorlesung gedacht, wenn es hieß:

„Freiheit heißt, dem Tod ins Auge zu blicken! Lebendige, fruchtbare Freiheit muss die Tode des Alltags annehmen: die Tode von Beziehungen, Möglichkeiten und auch Hoffnungen. Eine echte, lebenstaugliche Freiheit ist eben eine, die Endgültigkeiten und Festlegungen wagt und annimmt, eine Freiheit, die weiß, dass nie alles offen ist – und die dem Tod ins Auge blickt. Doch das kann der Mensch letztlich nicht aus eigener Kraft. Er kann es nur in der Kraft Gottes, der durch den Tod hindurch ins Leben gegangen ist.“

Soweit zum geistlich-geistigen Input in Kirche und Pfarrhaus des früheren Mooshauser Pfarrers Josef Weiger, in dem immer wieder sein Freund Romano Guardini zu Gast war und sich auch weitere Gäste zum akademisch-intellektuellen Austausch getroffen haben. Bis heute!

Dass Technik und Gastfreundschaft genauso gut auf den Ansturm Wissbegieriger vorbereitet waren, ist mitnichten selbstverständlich, war aber auch dieses Jahr wieder so. Christa und Dr. Klaus Krämer stehen da für Kontinu- und Qualität! Die Gastgeberin hat zudem auch immer das individuelle Wohl der Teilnehmer, bis hin zur jüdischen Spezialität (Berches), im Fokus!

Es gab wohl auch Teilnehmer, die sich die individuelle Freiheit genommen haben, zu dieser Tagung mit dem e-Fahrzeug anzureisen. Nachteil: Diese Fahrzeuge brauchen stundenlang, bis sie für eine Heimreise wieder geladen sind! Vorteil: Die Zeit kann man für eine vorbereitende Nachsitzung nutzen und bei italienischem Kaffee verbringen. Das sorgt für nachhaltige Entschleunigung!

Und NEIN, die Herren auf dem Bild sind nicht die beiden Opas Waldorf und Statler aus einer neuen Verfilmung der Muppets-Show. Und dass sie von ihrer Loge aus bissig über Gott und die Welt abgelästert hätten, ist auch nicht wahr. Sie haben lediglich in ihrer Pluralität (und nicht unter Zwang) die Entscheidung getroffen, humorvoll über das Thema des Tages laut nachzudenken. Dabei ging es auch um die schwerwiegende Frage des Sokrates: „Ist etwas gut, weil es Gott will, oder will Gott etwas, weil es gut ist?“

Falls Sie eine Antwort darauf haben: Die E-Mail-Adresse dafür finden Sie auf der Homepage des „Freundeskreises Mooshausen e.V.“, auf deren YouTube-Kanal sie auch Teile der Veranstaltung nachverfolgen können.

Text: Bernhard Theinert              Bilder: Gabriele Theinert


Die beiden Vorträge von Pfarrer Grießer am am Samstagvormittag haben wir aufgezeichnet. Sie finden das Video auf unserem YouTube-Kanal » Video

 

Einladung und Programm zum Guardini Studientag 2024 » Programm


Choralamt (Vorabendmesse) mit der Schola Cantorum Lorchensis in der Pfarrkirche St. Johann Baptist in Mooshausen am 16. März 2024 17:30 Uhr

Mit Pfarrer Marc Grießer
Musikalische Gestaltung durch die „Schola Cantorum Lorchensis“ unter der Leitung von Bernhard Theinert

Die Messe wurde aufgezeichnet, Sie finden das Video in unserem YouTube-Kanal: » Video (ab 2h:9min)

Link zum Liedblatt zur Messe: » Liedblatt

Link zum Gebetsbild für Romano Guardini: » Gebetsbild