Göttliche Bestimmung versus „stumme Stofflichkeit“
„Nur wer Gott kennt, kennt den Menschen“
Der klirrend kalte Wintereinbruch Anfang April ließ das Pfarrhaus in Mooshausen nur noch gastfreundlicher erscheinen. Deswegen gleich zu Anfang ein herzliches „Vergelt’s Gott!“ an Frau Christa Krämer und die derzeitigen Bewohner*Innen, die den Teilnehmern der Guardini-Tagung einen so warmherzigen Empfang bereitet haben. In einer Atmosphäre angespannter Gelöstheit durfte man sowohl vertraute Menschen nach langer Corona-Abstinenz wiedersehen, als auch neue Gesichter, die teilweise digital zugeschaltet waren, kennenlernen.
Das alte Pfarrhaus, damals, zu Zeiten Weigers und Guardinis, bis heute ein Ort der Begegnung und der theologischen Auseinandersetzung mit Gott, der Welt und „Christlicher Weltanschauung“ der positivsten Art.
Der Pfarrer der Seelsorgeeinheit Alpenblick, Marc Grießer, ein Guardini-Kenner durch und durch, hat den pandemisch zwangsweise niedergelegten Faden aus dem Jahr 2019 wieder aufgenommen und ein Bild von Guardini gesponnen, das für die teilnehmenden „Hörer des Wortes“ durchaus neu gewesen sein dürfte: „Nur wer Gott kennt, kennt den Menschen“.
Ob das auch im Umkehrschluss gelten kann? Wenn es nach Blaise Pascal ginge schon: „Der Mensch übersteigt um ein Unendliches den Menschen“. Romano Guardini stellt diesen Satz sogar seinem Werk „Welt und Person“ voran. Zwei Sätze daraus, die schwer zu verstehen sind und aufhorchen lassen.
Wie kann man Gott kennen? Der Mensch kann sich doch nicht selbst übersteigen?! Fragen, in die der erfahrene Pfarrer von der Glaubensfront im Allgäu durchaus humorvoll etwas Licht bringen konnte.
Auch bei der nachmittäglichen Beschäftigung in kleineren Gruppen mit einem geradezu prophetischen Text von Guardini über die „Neuzeit“, bzw, die „Nach-Neuzeit“ wie er die nahe Zukunft, also tatsächlich unsere Ära zu bezeichnen pflegte, wurde es spannend. Speziell der Satz „Als er Gott losließ, wurde er sich selbst unbegreiflich“ sorgte, wohl von Guardini so gewollt, für heftiges lautes Nachdenken bei den einzelnen Gruppenmitgliedern. Die Zweipoligkeit menschlichen Denkens und Handelns spielt dabei für den Religionsphilosophen eine große Rolle. Der sich selbst als absolut setzende Mensch gegen das Preisgegebensein. Den Anspruch auf höchste Würde und dann eben auch Verantwortung oder schmachvolles Ausgeliefertsein. Jetzt kommt es darauf an, in welche Richtung und wie weit das Pendel zwischen den Polen ausschlägt.
Oder: Hat nicht der Mensch seine Talente empfangen, um sie zu entfalten? Natürlich, Talente sind darauf angelegt, sie zu entfalten und sie in der Gemeinschaft mit Gott und der Welt wachsen zu lassen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Wer ein Talent hat, und jeder hat irgendeine Begabung, der ist sogar dazu verpflichtet, dieses einzubringen, oder sagen wir eher, dem mit Zins und Zinseszins zurückzugeben, der es einem „geliehen“ hat und auch die teilhaben zu lassen, die es dem Begabten erst ermöglicht haben, diese zu entfalten und auszubauen.
Soweit nur ein paar Gedanken der Teilnehmer.
In der Schlussvorlesung des Dozenten blitzt, trotz einiger skeptischer und düsterer Aussichten doch eine große Hoffnung auf, an die auch der Verfasser dieser Zeilen felsenfest glaubt. Es sei hier mit den Worten Guardinis aus „Die Existenz des Christen“ gesagt: „Das Christentum „wird aber wieder Stand fassen… Die christliche Offenbarung wird in einer Unbedingtheit gedacht und gelebt werden, welche die Verflachung der vergangenen Jahrhunderte hinter sich lässt. Wenn wir etwas gelernt haben, dann die Wahrheit, dass ein halbes Christentum nicht lohnt.“
Den Studientag durften die so buchstäblich eines Bessern Belehrten zusammen mit der Schola Cantorum Lorchensis in der Mooshauser Kirche bei einer Abendandacht mit Psalmübersetzungen von Romano Guardini und gregorianischen Gesängen nachklingen lassen.
Der anschließende Meinungsaustausch, nicht nur bei Brot und Wein, im „blauen Salon“ des Pfarrhauses war, Herr Pfarrer Grießer möge mir nicht grollen, der gemeinschaftliche Höhepunkt des Tages. Vorträge kann man nachlesen, aber wertvolle Gemeinschaft findet immer nur im Hier und Jetzt statt. Und dafür war und ist das ehrwürdige Pfarrhaus in Mooshausen ja bekannt.
Der offizielle Schlussakkord am Folgetag war dem entsprechend auch die gemeinsame Eucharistiefeier mit der Kirchengemeinde von Pfarrer Grießer in Hofs.
Pandemiebedingt und um die erhebliche Besucherzahl aufnehmen zu können, wurde in diesem Jahr die Kirche Sankt Gallus & Magnus zum heiligen Ort des Geschehens. Eine sehr schöne Geste der Verbundenheit war allerdings nur für Kenner auch wirklich erkennbar. Sie können sich denken, wessen relativ schlichter Kelch als zentrales Gefäß in der Eucharistiefeier würdig zum Einsatz kam.
Herr Dr. Klaus Krämer, auch in aufnahmetechnischen Dingen äußerst versiert, konnte dort zudem das Choralamt, das wieder die Schola Cantorum Lorchensis liturgietragend mit gestalten durfte, für alle Zeiten auf digitales Pergament bannen.
Und so kam in diesen zwei recht erbaulichen Tagen durch viele fleißige Hände und wertvolle Gedanken weder die „stumme Stofflichkeit“ noch die stofflich gestützte Geistlichkeit der Guardianer zu kurz!
Text: Bernhard Theinert
Bilder: Gabriele Theinert
Liedtexte zum Choralamt in Hofs
Gebetsbild der Erdiözese München-Freising zur Seligsprechung von Romano Guardini
Folgende drei multimedialen Beiträge wurden während des Guardini Tags 2022 erstellt und auf unserem YouTube Kanal „Freundeskreis Mooshausen“ als Nr. 27 eingestellt:
» Teil 2 – Biograhie Guardinis
» Teil 3 – Choralamt in Leutkirch-Hofs
Für die Herausgabe dieser Video-Blogs (VBLOG) ist der Freundeskreis Mooshausen e.V. verantwortlich,
siehe » IMPRESSUM zu unseren WEB-Seiten und » Datenschutzhinweis.
Die Aufnahme und Veröffentlichung erfolgte mit ausdrücklicher Zustimmung aller Beteiligten.