Pfarrer Grießer provoziert sein Auditorium schon mit dem Thema der Guardini-Tagung
Als Frage ausformuliert, konnte sich eine zweitägige Tagung (10./11. März 2018) näher mit dem Thema beschäftigen. Einmal mehr unter der bewährten Leitung des referierenden Pfarrers Marc Grießer, der erst vor Kurzem von Lorch in die Seelsorgeeinheit Alpenblick gewechselt hatte, wurde die jährlich wachsende Zahl der „Hörer des Wortes“ in den Bann des Mooshauser Pfarrhauses und seiner ehemaligen Bewohner gezogen.
Man darf die Antwort vorwegnehmen. Schlafen tut die Kirche nie und einschlafen sowieso nicht. Als „Hüterin des Ewigen, das in die Zeit hinein ragt“, hält sie der Welt den Spiegel vor. „…gerade aus Achtung vor dem Menschen und seinem Gewissen. Weil nur die Wahrheit und die Zumutung der Wahrheit echte Achtung bedeutet – während Nachgiebigkeit und Auch-gelten-Lassen Schwäche ist…“ Treffender als Romano Guardini kann man es nicht auf den Punkt bringen.
Konkret ging Grießer, der zurzeit seine Dissertation über Guardini schreibt, u.a. auf die Schwächen der Kirche ein. Es gibt keine ideale Kirche! Daran hat Guardini leidenschaftlich festgehalten. Am goldenen Wasserhahn eines Bischofs die Verfehlungen der Kirche aufzuzeigen ist aber genauso daneben, wie zu behaupten, alle Gläubigen pflegten den Lebenswandel eines Heiligen. Wobei schon wieder die Frage wäre: Was ist eigentlich „heilig“? Wenn die Übersetzung dafür „zu Gott gehörend“ ist, dann sind uns die Heiligen mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen, also Stärken, aber auch Schwächen doch irgendwie menschlich näher. Wer will nicht zu Gott gehören? Man kann nicht allgemein zur Freundschaft „Ja“ sagen, sondern muss auch konkret zu einem Freund mit Stärken und Schwächen „Ja“ sagen! Eben das gilt auch und besonders für die Kirche!
Mittlerweile bewährt und wieder in Aktion: Die Schola Cantorum Lorchensis, die dem Ruf ihres Gründungsmitglieds „Don Marco“ nach Mooshausen gefolgt war und die bereits übliche Samstagabend-Andacht mit Guardini-Psalm-Übersetzungen im Wechsel mit den Kursteilnehmern singend gebetet hat. Die Messe am vierten Fastensonntag in der Kirche der beiden Freunde Guardini und Weiger, „Sankt Johann Baptist“, war dann, nicht zuletzt wegen der Schola, der würdige Schlusspunkt der Tagung. Auch die Mooshauser Mitchristen sind wieder zahlreich erschienen um sich in der Predigt die Frage beantworten zu lassen, wie der liebende Gott und der Gott der Gerechtigkeit zusammen passen: Gerechtigkeit gründet darin, dass ich jemanden ernst nehme, das geht nicht ohne ein Mindestmaß an Verständnis. Verstehen ist aber eine Grundhaltung der Liebe. Gottes Liebe ist „Liebe im Ernst“ (Guardini). Eine Liebe, die ernst nimmt – so berühren sich Liebe und Gerechtigkeit.
Des Ehepaar Krämer hat einmal mehr den Rahmen für die Tagung so gestaltet, dass nicht nur geistiger Genuss die Teilnehmer erwartete. Erstmals musste der große Saal im Erdgeschoss des ehrwürdigen Pfarrhauses für die Vorträge hergerichtet werden, während in den oberen Räumen für Entspannung, aber auch tiefgreifende Diskussionen Raum und Zeit eingeräumt worden war. Vergelt‘s Gott dafür und auch für die erweiterte Grundversorgung mit Koffein und Kleingebäck. Julia Daniello aus Lorch, sonst eigentlich gut katholisch, scheint diesbezüglich dem „Backwahn“ verfallenen zu sein. Zwei professionelle Torten aus heimischer Konditorenwerkstatt waren das nur zu gern von den anderen Teilnehmern angenommene Resultat.
Wie präzise der eher melancholisch anmutende Religionsphilosoph Guardini beobachtet, die Zeichen seiner Zeit erkannt, auf das hier und jetzt projiziert und quasi das Ende der Neuzeit vorhergesagt hat, grenzt an Prophetie. Zu Recht hat Reinhard Kardinal Marx in München am 16. Dezember 2017 auch und vor allem auf Betreiben des Mooshauser Kreises den Seligsprechungsprozess von Romano Michele Antonio Maria Guardini feierlich eröffnet.
Lætare – Freue dich!
Bernhard Theinert, von Guardini ergriffen und nicht mehr losgelassen!