Mooshausen Medien » Tagung in Isola Vicentina August 2019

Uomo del Dialogo – Uomo Europeo – Uomo Cristiano
Romano Guardini und die „Famosi Tedeschi“

Es sind die kleinen Begegnungen am Rande, die Ereignisse wie die Guardini-Tagung in Isola Vicentina so wertvoll machen. Schon der Titel hört sich ja wie einer der Fortsetzungsromane von Giovanni Guareschi an, und diese kleinen Begebenheiten könnten durchaus Episoden derselben sein. Tatsächlich ist Brescello, in der Po-Ebene liegend und Ort seiner Romane über den streitbaren Ortspfarrer Don Camillo, nicht weit weg.
Kurienerzbischof Agostino Marchetto stand am Abend der Tagung etwas ermattet am Straßenrand am Fuße des Klosterberges von Santa Maria del Cengio und hatte den lautlosen E-Golf nicht gehört, der langsam von hinten auf ihn zugefahren war. In breitem schwäbisch kam eine Stimme aus dem wegen der Hitze eh schon geöffneten Fahrzeugfenster „Obend Excelenca, wellat Sia mitfahra nach Widschenza?“ Die beiden Insassen des Autos waren etwas überrascht, als seine Exzellenz sich herzlich lachend herunter beugte und zu deren Verwunderung in bestem Hochdeutsch meinte:
„Das ist sehr freundlich, aber ich fürchte, mein Fahrer kommt leider gleich!“
Das Hemd leger über der Hose tragend und sein Bischofskreuz zum Schutz in der Hemdtasche am Herzen geborgen, lachte er immer noch als der Wagen leise davon rollte und man hätte den Eindruck haben können, dass er lieber dort mitgefahren wäre. Die, die es wirklich drauf haben, kümmern sich nicht um Etikette und brauchen den großen Auftritt genauso wenig.
Der erste Tag war nicht nur der sommerlichen Temperaturen wegen anstrengend, sondern auch wegen der Fülle an Vorträgen hochkarätiger Wissenschaftler*innen, um wenigstens einmal die von mir „innig geliebte“ deutsche Form eines Gender-gerechten Ärgernisses zu gebrauchen.
Der große Veranstaltungsraum des kleinen Klosters Maria del Cengio, in dessen Kirche Romano Guardini, selbst DER „famoso Tedesco“ und doch im Herzen italienisch geblieben, bei seinen Aufenthalten in Isola Vicentina regelmäßig für die Brüder des Serviten-Ordens die Heilige Messe zelebriert hatte, platzte aus allen Nähten. Zuvor musste die Polizia Locale die Zufahrt zum Kloster ordnen, um ein Verkehrschaos zu verhindern und die erwarteten Würdenträger – so gut es eben ging – zu schützen. Zuvörderst natürlich Seine Eminenz Reinhard Kardinal Marx aus München, Papstberater und Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, der im Dezember 2017 den Seligsprechungsprozess von Romano Guardini auch auf Drängen aus Mooshausen eröffnet hatte. Als erster Vortragender stellte er, dem Titel der Tagung entsprechend, den Europäer Guardini in den Mittelpunkt.
Die Vorträge werden übrigens alle später in Schriftform veröffentlicht.
Das Denken des großen Theologen im Hinblick auf die Dichtung eines Rainer Maria Rilke zu erläutern, war Inhalt der Vorlesung von Dr. Johannes Modesto.
Die Grande Dame des Mooshauser Freundeskreises e.V., Frau Prof.Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, stellte in ihrer ganz eigenen, mit feinem Humor durchsetzten Art die Facetten des Europäers, den Mann des Dialoges und natürlich den Diener des Herrn vor.
Alle drei Vorträge selbstredend in der Landessprache des Tagungsortes. Faszinierend dabei war, dass selbst nicht italienisch sprechende Teilnehmer sich zumindest zusammenreinem konnten, was da dem Auditorium an Erhellendem nahegebracht wurde.
Seine Eminenz und auch Frau Prof. Gerl-Falkovitz werden nicht böse sein, wenn ich dem früheren Pfarrer der Seelsorgeeinheit Lorch-Alfdorf (jetzt SE Alpenblick, Leutkirch) und Förderer der Schola Cantorum Lorchensis, die als „Hörer des Wortes“ auch teilnehmen durfte, Marc Grießer, die gleiche Hochachtung entgegenbringe, wie den Vorgenannten. Man merkt immer wieder, wie geschickt er komplexe Sachverhalte so darlegen kann, dass auch interessierte Laien aufmerksam zuhören können. „Fördern durch Fordern“ ist sein Credo, wenn es um die Weiterbildung im Glauben geht. Erfahrungen eines Priesters an der Glaubensfront sind eben durch nichts zu ersetzen.
„Das Denken Romano Guardinis als Impuls für Europa“ war dann auch ein Höhepunkt der Vortragsreihe. Schlau von Grießer: Vortrag in perfektem gehobenem Italienisch und den „Tedeschi“ wurde das komplette Manuskript in deren Muttersprache gereicht, in dem nicht nur der Laie interessiert mitlesen konnte. Auch der Kardinal, obwohl des Italienischen mächtig, freute sich über so viel Bildungs-Service und blätterte eifrig darin! Eine weitere Episode spielte sich während der anschließenden Mittagspause ab, in der die kleine Schola-Truppe der Mittagshitze in einem kleinen Café in Isola zu entfliehen suchte, nur um kurz darauf Kardinal Marx mit seinem freundlichen bayrischen Fahrer dort zu treffen, denen wohl auch für eine kurze Auszeit die Flucht in selbiges Lokal gelungen war. Zwischen seiner Eminenz und dem Schola-Leiter entspann sich ein angenehmes Gespräch und für eine halbe Minute konnte man des einfallenden Lichtes halber die beiden, sich im Türrahmen gegenüberstehenden gewichtigen Herren wegen des ähnlichen Körper-Profiles nicht unterscheiden, was natürlich eine gewisse scholare Heiterkeit nach sich gezogen hat. Dieser ganz persönliche und keinesfalls aufgesetzt-freundlich wirkende Eindruck von seiner Eminenz wirft ein ganz anderes Licht auf die sonst so unnahbar wirkenden Mitglieder der Kurie.
Mit Einbruch der Dunkelheit und damit einhergehender leichter Abkühlung war im Innenhof des Klosters ein kleiner „Viaggio interno al mondo“ vom Jugendchor organisiert worden. Zu so viel Engagement muss man gratulieren und kann sonst nur staunen. Mit welchem Selbstvertrauen und Können die jungen Menschen zu Ehren der „berühmten Deutschen“ meist frei musizierend und vortragend angetreten sind, war trotz der vermeintlichen Leichtigkeit schwer beeindruckend. Der zum Himmel hin offene Kreuzgang-Innenhof war dafür aber auch das ideale Ambiente. Bella Italia!
Die Schola Cantorum, mitgetragen von Herrn Pfarrer Gunnar Sohl aus Ravensburg, der auch Grießer hilfreich zur Seite steht, und beraten von Pastoralreferentin Ulrike Krezdorn aus Ehingen, auch intellektuelle Mitarbeiterin des Grießer-Teams, war vom ebenfalls bei der Tagung anwesenden Rektor der Hochschule, im Hotel in Vicenza auf dem Monte Berico untergebracht worden, wo sie schon am zweiten Tag seltsamerweise als die „famosi Tedeschi“ bezeichnet wurden. „Furiosi Tedeschi“ kann es nicht geheißen haben, dazu war der Aufenthalt in dem wunderschön über der Stadt gelegenen Hotel viel zu harmonisch.
Organisiert worden war die Tagung von Frau Prof. Giuliana Fabris aus Isola Vicentina, die hier das Pendant zum Mooshauser Freundeskreis gegründet hat. Von München durfte der Postulator für den Seligsprechungsprozess, Dr. Modesto, der am Sonntag des Tagungswochenendes auch noch im Pontifikalamt über „Panis angelicus“ singend von sich hören ließ, die Verantwortung tragen.
Es verbietet sich, über die italienische „Organisationskunst“ zu lächeln. Den beiden ist nämlich Großes gelungen, das sicher noch nachhallen wird.
Was sich am Vorabend schon angedeutet hatte, wurde im Pontifikalamt nochmals gesteigert. Der Kirchenchor “I polifonici Vicentini“ hat eine Einheit und ein musikalisches Einfühlungsvermögen an den Tag gelegt, das seinesgleichen sucht. „Man muss jeden Ton lieb haben“ hat ein väterlicher Freund und Kirchenmusikdirektor einmal gesagt. So einfach ist das und hier war es so! So etwas steht und fällt natürlich mit dem Chorleiter. Signore Pier Luigi Comparin, Kirchenmusiker und Orgellehrer an der Hochschule in Vicenza, steht hier für eine wahrhaft himmlische Chorarbeit, die eigentlich Chor-Leichtigkeit heißen müsste. Zusätzlich zu „Locus Iste“ und „Ach Herr, lass Dein lieb Engelein“, wohl als Hommage an die deutsche Delegation gedacht, war die antiphonisch mit der Schola vorgetragene völkerverbindende „Missa de Angelis“ ein einmaliges Erlebnis. So muss man diese zwar bekannte, aber doch meist etwas lieblos gesungene Zweite Choral-Messe vor den Herrn bringen!
Und weil ja scheinbar immer der Organist schuld ist, wenn im Gottesdienst etwas daneben geht: Diese Schuld würde ich gerne tragen! Wenn jemand den „guten Ton“ der Einsätze und die im Chorraum verbaute Orgel im Griff hatte, dann er. Ein gewaltiges Instrument, das man beim Wahnsinns-Hall dieser Kirche wirklich beherrschen muss.
Abschluss nach Pontifikalamt und Empfang durch die Stadtoberen mit Mittagsimbiss war die Führung für die Schola von Herrn Dr. Mazzocato, zum Guardini-Anwesen mit obligatorischem Gruppenfoto!
Entgegen der Bestrebungen mancher nationaler Regierungen wächst Europa zusammen. Auch die beiden Guardini-Zentren Mooshausen und Isola Vicentina fühlen sich dem europäischen Gedanken Guardinis verpflichtet und setzen weiter auf eine enge Zusammenarbeit. Man darf gespannt sein, was da noch so alles an Ideen erwächst.
Seltsam, aber am meisten beeindruckt war der Leiter der Schola Cantorum von Don Giovanni, dem Ortsgeistlichen von San Pietro in Isola Vicentina, der mit seiner offenen, fast schon beschämenden und doch handfesten Herzlichkeit, wie sie vielleicht nur ein norditalienischer Landpfarrer an den Tag legen kann, irgendwie auch ein wenig an Guareschis Romanhelden erinnerte. Grazie mille!

Bernhard Theinert

Bilder: S. Radler / G. Theinert „Hörer des Wortes“

 

Bild 9: Eingang zum Pfarrhaus von Don Giovanni in Isola Vicentina

Bild 10: Preiserhöhung. Ab sofort sind pro Choralamt 400 € fällig!