München. Der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, ist in München mit dem Romano Guardini-Preis der Katholischen Akademie in Bayern ausgezeichnet worden. Die Verleihung fand am Dienstag, 28. Oktober, in den Räumen der Akademie statt. Im Folgenden dokumentieren wir die Dankesrede Lehmanns ohne Anmerkungsapparat und Literaturverzeichnis; die Rede des Kardinals war mit „Romano Guardini und Mainz“ überschrieben. (MBN)
Die Verleihung des Romano Guardini Preises 2014 ist für mich eine große Freude. Ich danke sehr herzlich der Katholischen Akademie in Bayern für die Verleihung, ganz besonders auch für die Grußworte der Herren Reinhard Kardinal Marx, Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle und Akademiedirektor Dr. Florian Schuller. Ihnen allen danke ich für die Mitfeier und die guten Wünsche, nicht zuletzt auch dem Arcis Saxophon Quartett für die musikalische Begleitung. Herrn Professor Dr. Jean Greisch aus Paris danke ich für die Übernahme der Laudatio, ganz besonders aber für seine Darstellung, in der ich mich gut wiederfinde: Jenseits von Optimismus und Pessimismus: Denken und Glauben im Zeichen der Zuversicht.
Die Auszeichnung mit diesem Preis bedeutet für mich mehr als manche andere Ehrung. Dies hat einen einfachen, aber bis heute nachwirkenden Hintergrund: Als ich in der ersten Hälfte der 1950er Jahre bis zum Abitur 1956 das Staatliche Gymnasium in meiner Heimat Sigmaringen besuchte, gab es neben einem einflussreichen Lehrer, Professor Dr. Nikolaus Maier, besonders zwei Autoren, die ich geradezu verschlungen habe und die mich bis heute geprägt haben: Romano Guardini und Josef Pieper. Mein karges Taschengeld habe ich fast ganz in den Kauf ihrer Bücher investiert. Später habe ich bei gelegentlichen Besuchen in München auch einige Vorlesungen von Romano Guardini gehört. So war ich nach meinen philosophischen und theologischen Studien in Freiburg und Rom gut vorbereitet, um als Assistent von Karl Rahner, dem ersten Romano Guardini Preisträger, am neu geschaffenen Institut für Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie der Ludwig Maximilians-Universität in München – freilich unter ganz anderen Bedingungen – das Erbe Romano Guardinis mitpflegen zu dürfen (1964-1967). Als Karl Rahner im Jahr 1967 einem Ruf nach Münster folgte, hat er mich zu Romano Guardini mitgenommen, um diesem die schmerzliche Nachricht von seinem Weggang von München persönlich zu überbringen. So durfte ich einmal Romano Guardini die Hand geben und ihm persönlich begegnen. Seine zahllosen Bücher begleiten mich bis heute, um nur einige zu nennen, für die ich immer besonders dankbar war: Vom Geist der Liturgie, Von Heiligen Zeichen, Der Herr, Vom Ende der Neuzeit und die aus dem Nachlass herausgegebene zweibändige Ethik.
Als ich 1983 Bischof von Mainz wurde, habe ich mich immer wieder um die Person und das Werk Romano Guardinis gekümmert. Anfangs wusste ich wenig um das schwierige Verhältnis zwischen Mainz und Romano Guardini. Frau Professorin Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz hat dann in ihrer großen Guardini-Biografie, die zum 100. Geburtstag im Jahr 1985 erschien, diese problematische Beziehung weitgehend aufhellen können. Ich hatte mich zur gleichen Zeit darum bemüht. Das Zerwürfnis zwischen Mainz und Romano Guardini hat mich im Lauf der folgenden drei Jahrzehnte jedoch nie losgelassen. Darum möchte ich dazu auch im Rahmen dieser Preisverleihung einige Worte sagen.
Es ist bekannt, dass Romano Guardini ein Jahr nach seiner Geburt in Verona (17. Februar 1885) mit seiner Familie nach Mainz kam, weil sein Vater als Importkaufmann eine Firma vor allem für den Geflügel- und Eierhandel sowie auch für Wein in Mainz gründete. Als der Vater 1919 in Mainz starb und die Familie wieder nach Italien bzw. in die Schweiz zog, blieb Romano Guardini als einziger in Deutschland. Er ist in diesen Jahrzehnten tief in die deutsche Kultur und Sprache hineingewachsen und nahm 1911 die deutsche Staatsbürgerschaft an. Zeitlebens galt es, in der Spannung zwischen der italienischen Heimat und der deutschen Wahlheimat ein eigenes Leben zu finden. Später wird er sagen: „Ich (war) so schon durch persönliches Lebensschicksal darauf hingeleitet, nach der Einheit weit auseinander liegender Wirklichkeiten zu suchen.“ Man kann schon hier gleichsam die Urzelle der späteren Lehre vom Gegensatz erkennen. Hier wurzelt auch die schon frühe, sich aber durch das ganze Leben ziehende Entdeckung Guardinis, dass diese Spannung zwischen Italien und Deutschland am besten in einem neuen Europa gelebt und in gewisser Weise so auch aufgelöst werden kann.
Die Familie Guardini lebte in Mainz ziemlich unauffällig. Der Aufenthalt war in der Zeit des Ersten Weltkrieges jedoch nicht einfach. Romano besuchte als ältester Sohn das heutige Rabanus Maurus-Gymansium und studierte nach dem Abitur (1903) in Tübingen, München und Berlin Chemie und Nationalökonomie. München wird dann zum Ort einer bis in die Wurzeln reichenden religiösen Krise. Der Glaube ist ihm zerronnen. Dr. Karl Neundörfer, der 1926 in den Bergen tödlich verunglücken sollte, wurde zum unentbehrlichen Freund und Gesprächspartner. Beide entschlossen sich zum Dienst des Priesters. Ein Wort Karl Neundörfers weist auf den Kern dieser Entscheidung in einem längeren Kampf: „Im letzten liegt die Wahrheit da, wo die größte Möglichkeit der Liebe ist.“
Wenn Mainz bis ca. 1920 der Lebensort Guardinis war, so war die Stadt für ihn immer auch der Ort mit einer großen christlichen Überlieferung, einem öffentlichen wirksamen Glauben und eines reformerisch orientierten Katholizismus, der nicht zuletzt durch Bischof W. E. von Ketteler (1811-1877) und seit 1848 durch die Katholikentage geprägt war. Dies darf man nicht vergessen, wenn gleich deutlicher von den Belastungen zwischen Mainz und Romano Guardini die Rede sein wird. Aber es bleibt dabei: Die Entscheidung für diesen Beruf ist im Mainzer Priesterseminar für ein ganzes Leben getroffen worden. Nach seinen eigenen Worten ist die Priesterweihe (1918) im Mainzer Dom „die Grundlage meiner Arbeit gewesen“.
So kann er kurz vor seinem Tod seinem Freund Felix Messerschmid (1904-1981) auf die Frage, weshalb er zeitlebens den Glauben bewahrt habe, zur Antwort geben: „Weil ich es meinem Bischof bei der Priesterweihe versprochen habe.“ Trotz aller Spannungen ist Romano Guardini Priester des Bistums Mainz geblieben. Deswegen hat er auch im Necrologium Moguntinum 1802/03-2009 seinen Platz.
Wir danken Romano Guardini dafür, dass er diese Aufgabe ganz und vorbehaltlos erfüllt hat. Dieses Ganze bestand für ihn immer aus zwei Dimensionen, nämlich einerseits Gott und anderseits den Menschen der Zeit ganz nahe zu sein. In diesem Zusammenhang beschreibt er auch die Auffassung von Amt und Autorität. „Er (der Priester) scheut sich, feste Ergebnisse und Weisungen an sie (die Gläubigen) heranzutragen, sondern stellt sich mit ihnen zusammen in das Suchen und Fragen hinein, um mit ihnen gemeinsam hinauszufinden. Ich weiß, was man einwenden kann.“ Amt und Autorität mit Gehorsam sind nicht einfach selbstverständliche Ausgangspunkte, sondern Guardini möchte sich neben den Anderen stellen „und mit ihm zusammen in den Gehorsam zu gelangen“ suchen.
Von einer solchen Brüderlichkeit des Glaubens lebte Guardinis Denken. Und dies ist mit der eben skizzierten Auffassung vom Priestertum wohl die zweite wichtige Dimension seines Vermächtnisses. Guardini wollte brüderlich zeigen, was er sieht, und sagen, was er hört, vertrauensvoll und arglos, demütig und offen. Vom Glauben her wollte er die lebendige Wirklichkeit der Welt verstehen. Er suchte so das Menschliche im Christlichen und das Christliche im Menschlichen. Akademische Lehre war ihm nichts anderes als „die beständige, sozusagen methodische Begegnung zwischen dem Glauben und der Welt… im Konkreten“. Meisterhaft hat er diese Aufgabe zusammengefasst in einem Brief an Papst Paul VI., in dem er für die Glückwünsche zu seinem 80. Geburtstag (1965) dankt und den uns wiederum Felix Messerschmid überliefert hat: „Noch zur Zeit meiner ersten theologischen Studien wurde mir etwas klar, das von da ab meine ganze Arbeit bestimmt hat: Was den modernen Menschen überzeugen kann, ist nicht ein historisch oder psychologisch oder wie immer modernisiertes Christentum, sondern nur die uneingeschränkte und ungebrochene Botschaft der Offenbarung. Natürlich ist es dann die Aufgabe des Lehrenden, diese Botschaft mit den Problemen und Nöten unserer Zeit in Beziehung zu setzen. Ich habe das in den verschiedensten Milieus zu tun versucht, darunter zwanzig Jahre lang in der gewiss wenig christlichen Luft von Berlin. Die Erfahrung war immer die gleiche. Was der heutige Mensch zu hören wünscht, ist die volle und reine christliche Botschaft. Vielleicht sagt er dann nein zu ihr; aber er weiß wenigstens, worum es geht. Diese Erkenntnis hat sich immer aufs Neue bewährt.“ Dies scheint mir das bleibende Testament Romano Guardinis auch für unsere Zeit zu sein.
Romano Guardini hat es – wie schon erwähnt – nicht leicht gehabt mit Mainz. Er fand es recht schwierig im Priesterseminar und spricht z.B. sehr hart von einem dort herrschenden „System des Misstrauens und der Beaufsichtigung, das bis ins Einzelne ging“ in der ganzen Erziehung. Wegen mancher Kritik, vor allem auch im Blick auf die Professoren, dachten einige Verantwortliche daran, man solle ihn doch lieber gehen lassen. Dies gilt auch für Dr. Karl Neundörfer. „Das hat uns aber doch nicht geschadet, und wir waren, wenn auch mit einem Semester Verzögerung, zum Ziel gekommen. Nach zwei Zwischenstationen kam ich als Kaplan nach St. Christoph in Mainz.“ Guardini war Kaplan in Heppenheim (Bergstraße), in Darmstadt (Krankenhaus), in Worms (Dom), in Mainz (St. Christoph, St. Ignaz, St. Emmeran und St. Peter). Er hatte stets das Empfinden, dass man ihm in Mainz nicht wohlwollend gesonnen sei. Auch gab es grundlegende Einwände gegen die Jugendarbeit, die Guardini bei der bekannten Jugendgruppe „Juventus“ mit einer größeren Nähe zur Jugendbewegung betrieben hatte. Das Zentrum des Widerstands gegen ihn sah Guardini auch später bei Domkapitular und (ab 1920) Generalvikar Dr. Ludwig Bendix (1857-1923). Dieser sei trotz mancher Fähigkeiten – so schreibt Guardini noch nach über 30 Jahren – „ein Reaktionär reinsten Wassers“ gewesen. Guardini beklagt die Zwiespältigkeit im Verhalten ihm gegenüber. Bendix hat wohl auch die Berufung Guardinis nach der Promotion in Freiburg i. Br. 1915 als Professor an das Mainzer Priesterseminar verhindert. „Gegen seinen Willen konnte aber nichts geschehen, so wurde die Situation für mich allmählich unhaltbar.“ Bitter formuliert Romano Guardini: „Natürlich muss die oberste Behörde der Diözese das Recht behalten, ihr Urteil über eine Persönlichkeit zu ändern. Das muss sich aber auf Tatsachen stützen … Das alles ist aber in Mainz nicht geschehen … Die Sache ist mir zuerst sehr nahe gegangen. Dann habe ich freilich erkannt, welche gütige Fügung darin gelegen hat. Ich bin gezwungen worden, aus der engen Mainzer Luft ins Weite zu gehen und kann dafür nicht dankbar genug sein. In Mainz hätte ich entweder die größten Schwierigkeiten bekommen, oder wäre zu Grunde gegangen – geistig und wahrscheinlich auch körperlich.“
Hier könnte noch vieles ergänzt werden, etwa im Blick auf die Verzögerungen der Freistellung für die Promotion und besonders die Habilitation. Ich will und muss dies übergehen. Schließlich schreibt Romano Guardini in seinem Lebensbericht: „Damals habe ich mich innerlich von der Mainzer Diözese gelöst, umso mehr, als mein Vater im Jahr 1919, kurz nach seiner Rückkehr aus der Schweiz gestorben war und meine Mutter sich entschloss, nach Italien zurückzukehren. Ich bin dann noch einmal nach Mainz gegangen, als ich die Berliner Professur (1923) bekommen hatte; die Enttäuschung, welche ich damals erfuhr, hat die Trennung definitiv gemacht.“
Guardini hat es wohl den Verantwortlichen auch nicht immer leicht gemacht. Er hat selbst an den Grenzen seiner eigenen Persönlichkeit gelitten. Auch wenn man die folgenden Worte nicht überschätzen darf, geben sie zu denken. „Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich die menschliche Beziehung, welche der Seelsorger mit seiner Gemeinde haben muss, nicht fand. Dabei war ich immer überzeugt, dass er die eigentliche Form des Priestertums sei. Ich habe aber zum Volk, zur Weise seines Denkens und zur Form seiner Interessen nie richtig hingefunden.“ Guardini hatte zudem große Probleme mit der Schule. Freilich, er hat auch gute und dankbare Erinnerungen an das Bistum Mainz zum Ausdruck gebracht, an Heppenheim, Worms und manche Freunde.
Später sah Guardini sein Verhältnis zu Mainz zwar klar und ungeschminkt, zugleich jedoch in einem etwas milderen Licht. Über seine Kritik schreibt er: „Davon war sicher Vieles unnötig und Manches ungerecht; aber schließlich steht die Weisheit ja nicht am Anfang, sondern am Ende.“ Insgesamt beklagt er immer wieder eine Nichtachtung des notwendigen Vertrauens. Hier war er besonders sensibel. Dies war „symptomatisch für den Geist und die Methode der ganzen Erziehung“. Dies schreibt Guardini noch sehr entrüstet nach so langer Zeit. Immer wieder betont er die Freundschaft zu Dr. Karl Neundörfer und zu Herrn und Frau Schleußner, die er geradezu als seine „geistigen Eltern“ empfand. Der Ärger saß sehr tief, sodass Romano Guardini nach 1923 erst wieder im Jahr 1944 Mainzer Boden betrat. Ausdrücklich schreibt er, dabei habe er „keinen Groll empfunden“.
Besondere Gestalt gewonnen hat das bessere Verhältnis zu Mainz in der Freundschaft zu Bischof Albert Stohr. Beide kannten sich bereits aus dem Priesterseminar. Später gab es eine stärkere Annäherung, die Bischof Stohr wohl auch von sich her gesucht haben dürfte. Dies war leichter möglich geworden, als Bischof Dr. Stohr (1890-1961) im Jahr 1940 mit Bischof Landersdorfer für die Liturgie in der Deutschen Bischofskonferenz verantwortlich wurde. Es war die Zeit, als eine heftige Auseinandersetzung um die liturgische Bewegung im Gang war. So hat sich Bischof Stohr Guardinis „Wort zur liturgischen Frage“ in einem kritischen Augenblick der Geschichte der Erneuerung des Gottesdienstes (1940) bewusst zu eigen gemacht. Albert Stohr sagte später, Guardini habe in diesem Brief an ihn „in bewundernswerter Klugheit und mit meisterlichem Geschick einen Weg zwischen Zuviel und Zuwenig, zwischen engem Beharren und gar zu stürmischem Vorwärtsschreiten gewiesen und seinen Freunden und Gesinnungsgenossen einen kaum zu überschätzenden Dienst geleistet“. Bischof Stohr nannte ihn in diesem Zusammenhang 1940 deswegen auch „Anwalt des liturgischen Anliegens“.
Bischof Dr. Stohr hat auch maßgeblich die Beauftragung Romano Guardinis mit der neuen Übersetzung des lateinischen Textes der Psalmen gefördert („Nova Vulgata“). 1941 begann Guardini die Übersetzung, 1949 hat er sie mit großer Anerkennung, gerade auch von Bischof Stohr, abgeschlossen. So hat die Freundschaft der beiden Männer – Guardini spricht selbst von ihr in einer handschriftlichen Buchwidmung des Jahres 1950 – und ihre gemeinsame Aufgabe bei der liturgischen Erneuerung auch eine Wiederannäherung an Mainz gebracht, jedenfalls einen versöhnlicheren Ton ermöglicht. Guardini schreibt darum, Bischof Stohr habe ihm „in der gütigsten Weise seine Freundschaft“ geschenkt und dies sei von Stohr „als Überbrückung des damals geschehenen Risses verstanden und von mir (Guardini) auch dankbar als solche empfunden worden“. 1958 widmete er öffentlich sein Buch „Religion und Offenbarung“ (1957) Bischof Albert Stohr. Wenn auch Guardini die erlittenen Verletzungen nie vergessen konnte, so hat sich doch das Verhältnis zu Mainz sehr entspannt. So schreibt er in Notizen des Jahres 1958: „Die Neuralgie ist immer noch so stark, dass ich mich nicht zu reisen getraue. Heute Morgen kam der Gedanke, ich wollte wieder einmal nach Mainz, die alten Orte sehen, sofern sie noch da sind … die Gonsenheimer Straße, St. Bonifatius, das Seminar … ‚Altershausen‘.“ Dafür gibt es auch noch andere Anzeichen. Bischof Stohr erwirkt nach einem Zögern Roms im Jahr 1952 den Prälatentitel für Guardini, er besucht ihn 1960 während des Eucharistischen Kongresses in München, als Guardini krank war. Nicht wenige Briefe bestätigen diese starke Annäherung und neue Nähe.
Trotz der langsam entspannten Atmosphäre verlassen einem, wenn man aus Mainz kommt, nicht Scham und Beklemmung. Die Verehrung für Romano Guardini in Mainz ist gewiss auch heute immer noch sehr hoch. Viele wissen freilich nichts mehr von den Verwicklungen und Verletzungen der frühen Jahre. Aber es muss doch von Mainz im Blick auf diese Zeit, soweit so etwas überhaupt möglich ist, ein Wort der Entschuldigung und der Bitte um Vergebung erwogen werden. So habe ich als Bischof von Mainz schon in meinem ersten Wort über Guardini, wohl etwas erschrocken über das Missverhältnis, gesagt, als damals 1984 „Die Berichte über mein Leben“ erschienen sind: „Es war mir (erst recht nach dem Erscheinen dieses Buches) klar, dass wir nicht nur zu danken, sondern auch etliches wieder gut zu machen hatten, soweit dies menschenmöglich ist.“ Seither sind über 30 Jahre vergangen. Bei der Entgegennahme des Preises mit seinem Namen hier in München fühle ich mich – ganz im Sinne von Bischof Albert Stohr – gerade als Bischof von Mainz – nicht nur persönlich, sondern dienstlich-amtlich – zutiefst verpflichtet, fast 50 Jahre nach Romano Guardinis Tod angesichts der Verletzungen von damals um Entschuldigung, Nachsicht und Vergebung zu bitten. Ich bin dankbar, dass ich an diesem Abend die Gelegenheit bekommen habe, dies auch öffentlich zur Sprache zu bringen. Herzlichen Dank!
(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz