Die Fantasy-Romane von C. S. Lewis
Tagung 13.-15. Juli 2018
Referenten:
Dr. Norbert Feinendegen, Bonn
Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Erlangen
» Referat von Norbert Feinengegen(1) (pdf)
» Referat von Norbert Feinengegen(2) (pdf)
» Referat von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (pdf)
Christliche Science Fiction: Eine Tagung über C.S. Lewis‘ „Perelandra“-Trilogie in Mooshausen.
Von Gudrun Trausmuth
Bericht erschienen am 19.7.2018 in „Die Tagespost – Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur“, Würzburg
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Tagespost und der Autorin.
Der „Freundeskreises Mooshausen“ hat kürzlich wieder zu einer außergewöhnlichen Tagung eingeladen. Es ging um die Perelandra-Trilogie von C.S. Lewis (1898–1963). Unter dem Titel „Himmelstiefen und die Herabkunft der Götter“ referierten die Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz sowie der Theologe und C.S. Lewis-Spezialist Norbert Feinendegen, der mit dem Band „C.S. Lewis. Apostel der Skeptiker“ (Verlag Text & Dialog 2015) die philosophisch-theologischen Kernthemen des englischen Philologen, Philosophen und Literaten neu erschlossen hat.
Nach einer Einführung über die Person führte Norbert Feinendegen an den Denker C.S. Lewis heran, indem er über das Motto des „Socratic Club“ in Oxford, wo C.S. Lewis sich unzählige Male Debatten mit nicht-christlichen Denkern lieferte, reflektierte: „Folge dem Argument, wohin es dich führt!“ In der Annäherung an die Perelandra-Triologie setzte Feinendegen sich dann zunächst mit der Frage auseinander, welche Art Science Fiction hier vorliege. Im Rückgriff auf einen Aufsatz von C.S. Lewis entschied sich Feinendegen für den Begriff der „phantastischen“ Form der Fantasy. Zu den Merkmalen des Mythos zähle nach Lewis dasjenige, was für „alle Menschen zu allen Zeiten“ gelte, die Gesetzmäßigkeiten der geistigen Welt, ausgehend vom Menschen als vernunftbegabtes, moralisches und von Gott angerufenes Wesen. Dass die phantastischen Geschichten zunehmend in die Science Fiction ausgewandert seien, führte Lewis auf die Zunahme des geographischen Wissens zurück: Je mehr sich der konkrete Bereich des Erforschten und Bekannten ausdehnte, in desto weitere Fernen musste der erzählte Raum der phantastischen Geschichten rücken. Allerdings, so die These von Lewis, nutzen die meisten Autoren, wie etwa H.G. Wells, oder J.B.S. Haldane, das Genre der phantastischen Geschichte zur Verbreitung ihrer naturalistischen, evolutionistischen, wissenschaftsgläubigen und antireligiösen Überzeugungen.
Als Reaktion entwickelten C.S. Lewis und der mit ihm eng befreundete J.R.R. Tolkien den Plan, ihrerseits phantastische Geschichten zu schreiben, in denen sie das Christliche aufleuchten lassen wollten. Tolkien’s „Der Herr der Ringe“, Lewis‘ „Perelandra“-Triologie und seine „Narnia-Geschichten“ sind die literarischen Früchte dieser Vereinbarung.
In „Jenseits des schweigenden Sterns“ (1938) wird der etwa vierzigjährige Philologe Elwin Ransom aus Cambridge von einem Physiker namens Weston und seinem ehemaligen Schulkollegen Dick Devine auf den Planeten Malakandra entführt. Es zeigen sich die unterschiedlichen Motive der Übeltäter: Devine ist ganz bestimmt von seiner Gier nach Gold. Weston hingegen gibt an, er wolle der menschlichen Rasse dienen und für sie neue Lebensräume erschließen; dafür sei jedes Mittel gerechtfertigt. In einem geheimen Gespräch schildert Ransom dem Oyarsa des Mars dann, was auf der Erde seit dem Abfall des Oyarsas der Erde geschehen sei: Er erzählt vom Sündenfall bis hin zum Kommen und zum Kreuzesopfer des Gottessohnes. Schließlich werden Ransom, aber auch Weston und Devine, in ihrem Raumschiff wieder auf die Erde zurückgeschickt, um weiteren Schaden von Malakandra abzuwenden.
Norbert Feinendegen zeigte die vielfältigen Dimensionen des wissenschaftskritischen Romans auf: Lewis habe damit Entwicklungen naturwissenschaftlichen Denkens vorweggenommen, welche etwa 1962, beim sogenannten CIBA-Syposium im Austausch über die Zukunft der Menschheit diskutiert wurden. Die Überlegungen reichten von eugenischer Selektion bis dahin, Menschen mit Teilen des Erbguts von Affen zu versehen, um sie für das Leben auf anderen Planeten besser auszurüsten. „Es war gegen diese Sicht auf das Leben, gegen diese Ethik, wenn man so will, dass ich meine satirische Fantasy schreibe und in meinen Weston ein Clowns- und Bösewichtsbild dieser ,metabiologischen‘ Häresie hineinprojizierte.“ Lewis, so Feinendegen, habe allerdings keine grundsätzliche Ablehnung der Naturwissenschaft zum Ausdruck bringen wollen, sondern vielmehr das Bewusstsein entwickelt, dass auch die Beobachtung des Naturwissenschaftlers kein „rein objektiver Prozess sei, der uns automatisch das Wesen der Dinge enthülle“. Es sei wichtig, immer auch die literarischen Absichten von Lewis im Blick zu behalten: „Jenseits des schweigenden Sterns“ und die Folgeromane der Perelandra-Trilogie seien ein Spiel mit der Imagination.
Der zweite Band (1943) von Lewis‘ Trilogie spielt auf dem titelgebenden Planeten „Perelandra“, der Venus. Einige Jahre nach seiner Rückkehr vom Mars erhält der Philologe Ransom den Auftrag, auf den Planeten Perelandra zu reisen. Ransom erfährt von Tinidril, dass „Maledil“, Gott, verboten habe, auf dem festen Land zu schlafen. Kurze Zeit danach landet der Physiker Weston auf der Venus; Feinendegen wies an dieser Stelle auf Lewis‘ subtile Fähigkeiten hin: Das plötzliche Auftauchen des Raumschiffs Westons erinnere vielsagend an die Stelle Lk 10, 18, wo es heißt, „Ich sah den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen“. Weston, der nun deutlich teuflische Züge aufweist, versucht die unschuldige Königin dazu zu bringen, Maledils Gebot zu übertreten, und Ransom sieht seine Aufgabe darin, die Königin vor Weston zu warnen. Doch Weston erweist sich als beharrlicher, überlegener und allmählich erfolgreicher Einflüsterer. Am Ende sind König Tor und Königin Tinidril – gereift und geläutert – vereint; Ransom kehrt wieder auf die Erde zurück, allerdings mit einer bleibenden Wunde am Fuß, die ihm der Böse in Gestalt Westons zugefügt hatte. Feinendegen unterstrich, dass Lewis‘ Roman nicht zu schnell als Allegorie der biblischen Sündenfallerzählung gelesen werde solle. Die richtige Perspektive sei auch hier das Bewusstsein eines Spiels mit dem Vorstellungsvermögen: „Stellen wir uns vor, die biblischen Schöpfungsberichte würden auf Tatsachen beruhen, die mittelalterliche Engellehre wäre wahr, und die Venus wäre tatsächlich bewohnbar. Was würde geschehen, wenn wir dort auf ein erstes Menschenpaar treffen würden und dieses ebenfalls in Versuchung geführt würde?“
Den dritten Band der Perelandra-Trilogie „Die böse Macht“ (1945) präsentierte und interpretierte Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz. Gerl-Falkovitz unterschied zwischen einer „großen und einer kleinen Bühne“, denn der gleichsam alltäglichen Ehegeschichte von Jane und Marc Studdock stehe jene existenzielle Frage gegenüber, ob das Böse, das unaufhaltsam an Boden gewinnt, aufgehalten werden könne: Die Erben Westons versuchen, ausgehend von einem wissenschaftlichen Institut, dem N.I.C.E, die Weltherrschaft zu erobern. Wie Gerl-Falkovitz darlegte, beinhaltet „Die böse Macht“ nicht nur eine harte Kritik an Universitäten, sondern auch Spiegelungen konkreter wissenschaftlicher Leidenschaften der Entstehungszeit; so wolle das N.I.C.E etwa eugenische Theorien durch Zwangssterilisationen oder durch die Liquidierung „zurückgebliebener Rassen“ umsetzen. Um die Macht zu erreichen, ist dem N.I.C.E. Gewalt genauso willkommen wie mediale Manipulation und Magie. Das N.I.C.E setzt alles daran, mit dem alten Zauberer Merlin, der im Bragton Wald ruht, auch das Keltische für sich zu gewinnen und sich so mit der alten Macht zu verbünden. Merlin, so Gerl-Falkovitz, sei eine ambivalente Gestalt, dessen letzte Entscheidung für Gut oder Böse in Lewis‘ Text noch ausstehe.
Das Böse, so Gerl-Falkovitz in ihrer Analyse des Textes, manifestiere sich in „Die böse Macht“ durch das Entleeren des Wortes, durch eine Unwirklichkeit, die fern der Normalität sei und auf völlige Abwesenheit von Freude abziele und schließlich durch eine Nachstellung des Lebendigen als Innerstes des Bösen: „The Head“, der Kopf eines Verbrechers, stellt den Kern des Bösen dar. Demgegenüber zeige sich das Gute in der „Bösen Macht“ in Alltäglichkeit und Normalität und verweise auf eine Dimension lebendiger und positiver Sinnlichkeit. In einer gemeinsamen Lektüre- und Gesprächszeit brachte Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz den Tagungsteilnehmern die Einzigartigkeit der Szenen nahe, in denen C.S. Lewis die Herabkunft der Götter und die geheimnisvolle Manifestation der anderen Planeten auf der Erde, gestaltet. Die Mooshausener Einblicke in die genial erzählte Welt des C.S. Lewis laden – im Jahr seines 120. Geburtstags – zu weiterer Beschäftigung mit dem faszinierenden Autor ein.