Sonntagsgedanken zum Fronleichnamsfest, 11. Juni 2020


Pfarrer Josef Weiger

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Juni 1666 in Livorno, Italien: Durch die Straßen der Stadt zieht mit großer Festlichkeit die traditionelle Fronleichnamsprozession (processione del Corpus Domini). Am Rand steht der 28jährige Däne Niels Stensen, einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler des 17. Jahrhunderts, ein Suchender nach der ganzen Wahrheit. Später berichtet er Freunden von einem Augenblick tiefster Erschütterung: „Als ich die Hostie mit so großer Pracht durch die Straßen getragen sah, regte sich in mir der Gedanke: Entweder ist jene Hostie nur ein einfaches Stück Brot – und seine Verehrer sind Toren – oder hier ist der wahre Leib Christi – und weshalb erweise ich ihm dann nicht die gebührende Ehre?”

Dieses Erlebnis führt ihn ein Jahr später zur Konversion und zum Priestertum. Er gibt seine wissenschaftlichen Forschungen auf und widmet sich der Seelsorge und dem ökumenischen Gespräch. Als Bischof wird ihm 1677 der durch die Reformation protestantisch gewordene Norden Deutschlands bis hin nach Schweden anvertraut. Die würdige Feier der Eucharistie und der Empfang des Leibes des Herrn stehen im Mittelpunkt seines pastoralen Wirkens.

Über die Frucht des gläubigen Kommunionempfangs sagt er. „Bei allem wird Gott ganz in ihm [dem Empfänger] sein und er ganz in Gott, damit er alle von Gott erschaffenen Dinge erkenne und sie liebe und betrachte auf genauso edle Weise, wie sie Gottes Hand verlassen haben.“

Wie erleben wir heute das Fronleichnamsfest? Erinnerung an einen kirchlichen in den Hintergrund getretenen Brauch angesichts spürbarer Veränderungen? Wie nehmen wir die Prozessionen wahr in den Regionen Deutschlands, wo mit großer Festlichkeit die Menschen das allerheiligste Altarsakrament durch die geschmückten Straßen tragen? Folklore oder Betroffenheit wie bei Niels Stensen: „… hier ist der wahre Leib Christi – und weshalb erweise ich ihm dann nicht die gebührende Ehre?”

In diesem Sinn werden häufig Stimmen vernommen, dass in unseren Eucharistiefeiern mehr ruhige Besinnung zum Kommunionempfang und zur Danksagung gewünscht wird. Dafür gibt es sicherlich gute Formen.

Josef Weiger, dem Pfarrer der ländlichen Gemeinde Mooshausen, war es ein Anliegen, Suchenden den tiefen Sinn der heiligen Eucharistie zu erklären. 1950 erklärte er in dem Buch „Der Leib Christi in Geschichte und Geheimnis“ in 18 ausführlichen Briefen die weitreichenden Zusammenhänge. Im Vorwort schreibt sein Freund Romano Gardini, dass es sich hier nicht um ein Lehrbuch oder eine wissenschaftliche Monographie handle, sondern um ein Sprechen von Gott und dem Menschen.

Anfang der 1960iger Jahre gab Josef Weiger der Künstlerin Ruth Schaumann den Auftrag, die vier Seitenteile des dörflichen Baldachins zu gestalten, nicht mit schönen dekorativen Stickereien, sondern mit vier Kapiteln aus den Evangelien mit Bezug zur Eucharistie.

Die erste Seite:

Der Gute Hirt – Jesus gibt sein Leben für seine Schafe.

Die zweite Seite:

Die Brotvermehrung – Jesus sieht die vielen Menschen und hat

Mitleid mit ihnen, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.

Die dritte Seite:

Der Einzug in Jerusalem – die Prozession des Herrenleibes in die Passion.

Die vierte Seite:

Das Abendmahl – das Brot, dies ist mein Leib, der Becher Wein – dies ist mein Blut, das für viele vergossen wird.

Ein Blick in das Neue Testament zeigt, dass alle vier Evangelisten von der Speisung der Fünftausend berichten, Matthäus und Markus zusätzlich noch von der Speisung der Viertausend.

Worin bestand das Wunder der „Brotvermehrung“?

Als Papst Franzikus im vergangenen Jahr im römischen Stadtteil Casal Bertone am Fronleichnamsgottesdienst teilnahm, erinnerte er an den Segensspruch Melchisedeks, dem Königs von Salem und Priester des Höchsten Gottes, über Abram und alle seine Nachkommen.

„Alles geht vom Segen aus: Die Worte des Guten bringen eine Geschichte des Guten hervor. Dasselbe geschieht im Evangelium: Bevor Jesus die Brote vermehrt, segnet er sie: Der Segen macht aus fünf Broten die Speise für eine Menschenmenge: Er lässt eine Sturzflut des Guten entspringen.“

Der Papst spricht dann vom Segen Jesu und den Auftrag zum Austeilen über die schönste Bedeutung des Brotes:

„Das Brot ist nicht nur Konsumprodukt, es ist Mittel des Teilens. Denn in der Erzählung von der Brotvermehrung wird erstaunlicherweise niemals vom Vermehren gesprochen. Im Gegenteil, die verwendeten Verben sind „brechen, geben, austeilen“ (vgl. Lk 9,16). Es wird also nicht die Vermehrung unterstrichen, sondern das Teilen. Es ist wichtig: Jesus betreibt keine Magie, er verwandelt die fünf Brot nicht in fünftausend, um dann zu sagen: „Verteilt sie jetzt.“ Nein. Jesus betet, segnet diese fünf Brote und beginnt sie im Vertrauen auf den Vater zu brechen. Und diese fünf Brote gehen nicht mehr aus. Das ist nicht Magie, es ist Vertrauen auf Gott und auf seine Vorsehung.

In der Welt sucht man immer nach Vermehrung des Gewinns, nach Umsatzsteigerung… Ja, aber zu welchem Zweck? Zum Geben oder zum Haben? Zum Teilen oder zum Anhäufen? Die ,Ökonomie‘ des Evangeliums vermehrt durch Teilen, nährt durch Austeilen, sie befriedigt nicht die Gefräßigkeit der Wenigen, sondern sie gibt der Welt Leben (vgl. Joh 6,33). Nicht haben, sondern geben ist das Verb Jesu.“

Was kann uns das Fronleichnamsfest in einer Zeit der globalen Corona-Krise bedeuten?

Elisabeth Prégardier, Oberhausen


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