Hindert sie nicht daran!
Zusammen mit den Israeliten sind wir heute auf Wüstenwanderung. Aber diese ist kein unorganisierter Ausflug. Es gibt Struktur und Amt. Moses ist der Leiter. Er wurde von Gott dazu bestimmt und er steht in regem Austausch mit ihm. Aber wir kennen das, Leitung gelingt am besten im Team und deshalb schlägt Gott Moses vor, siebzig „Älteste“ auszuwählen.
Hier beginnt unsere Lesung aus dem Buch Numeri.
Gott will diese Ausgewählten selbst in ihr Amt einführen und dazu gibt er ihnen etwas von seinem Geist, damit sie in ihrer Leitung befähigt sind, recht und gerecht zu handeln.
Ort des Geschehens ist das sogenannte Offenbarungszelt. Dieses befindet sich nicht mitten im Lager bei den gewöhnlichen Zelten, sondern – weil es ein heiliger Ort ist – abgesondert vom Profanen, außerhalb. Hier „wohnt“ Gott, hier teilt er sich mit, hier schenkt er von seinem Geist. So ist es und so war es, so will es die Überlieferung.
Zwei Männer nun, die Mose auch auf die Liste gesetzt hat, sind im Lager geblieben, Eldad und Medad. Auch auf sie kommt der Geist, und sie werden zu Propheten.
Kann dies mit rechten Dingen zugehen? Ein namenloser junger Mann erstattet Mose davon – völlig empört – Bericht. Und Josua, (später Moses Nachfolger!) auch er regt sich auf: So geht das nicht, Mose. Mach dem ein Ende!
Mose aber ist anderer Auffassung, er ist demokratisch gesinnt, könnte man sagen, Gottes Geist weht er will. Moses kritisiert Eldad und Medad nicht, sondern Josua: Wie toll wäre es doch, wenn das ganze Volk zu Propheten würde!
Im Evangelium finden wir eine ähnliche Situation vor. Und Jesus, der „neue Moses“ bezieht auch hier ganz klar Position gegenüber Johannes, der sich aufregt, dass einer im Namen Jesu Dämonen austreibt (also Gutes tut!): „wer nicht gegen uns ist, ist er für uns“, stellt Jesus fest. Wo immer Gutes geschieht, ist Gottes Geist am Werk, zeigt sich, was Gottes Wille ist: Erbarmen, Gesundheit, Leben.
Uns, die wir ja in Lizenzen und Titeln, abgelegten Prüfungen und Kompetenzen und und und schwelgen, stellt sich die Frage: Haben sich Ämter und Strukturen erledigt? Versinken wir dann nicht im Chaos, in Anarchie?
Schauen wir beide Texte nochmals genau an, fällt auf: in beiden Texten gibt es sehr wohl Amt und Struktur, sowohl Moses als auch Jesus werden als Autoritäten wahrgenommen, ihre Entscheidungen sind bindend. ABER: sie lassen in ihrer Art der Leitung Platz und Raum. Ihre Funktion als Leitende sind kein Selbstzweck.
Amt und Würde (und die damit verbundenen hierarchischen Strukturen) haben dienende Funktion: wo immer – wie gesagt – ein Mehr an Leben geschieht, da ist Gott am Werk, da weht Gottes Geist. Oder anders gesagt: ubi caritas, ibi Deus – wo Liebe ist, da ist Gott.
So geschult, können wir uns freuen, dass auch wir berufen sind, Leitung zu übernehmen, Verantwortung zu tragen in Familie, in Gesellschaft und in Kirche – an jedem Ort, überall.
Pfarrer Reinhold Sahner
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