Sonntagsgedanken, 26. Juli 2020


In jener Zeit erzählte Jesus folgende Gleichnisse: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker. Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie.“ (Mt 13, 44-46)
„… und darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn“. Viele Liturgen fügen bei diesem Gebetsabschluss im Gottesdienst noch „und Bruder“ an. Jesus Christus wird heutzutage vor allem als Mensch gesehen und wahrgenommen („Gott ist Mensch geworden“). Kindern im Erstkommunionunterricht wird Jesus oft als Freund vermittelt. Dieses Verständnis von Jesus erleichtert den Zugang zu ihm und hilft, mit ihm in eine (spirituelle) Beziehung zu treten. In Jesus war Gott Mensch wie wir und deshalb versteht uns Gott mit unseren alltäglichen Sorgen und auch mit unseren großen Nöten. Er ist bei uns.
Aber wie alle Bilder, die sich Menschen von Gott machen, ist auch diese Interpretation zeit-und ortsabhängig. Das wurde mir deutlich, als ich die Gedanken Romano Guardinis zu dem Gleichnis vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle in seinem Standardwerk „Der Herr“ las. Keine Theologin und kein Theologe würde sich heute noch getrauen, diese Reich-Gottes-Gleichnisse unter der Überschrift „Nicht den Frieden, sondern das Schwert“ zu behandeln, Guardini schon! Man kann diese Sichtweise als überkommen und zeitgebunden abtun und argumentieren, die Liedstrophe „Ein böser Knecht, der still kann stehn, sieht er den Feldherrn vorne gehen“ wurde in der aktuellen Ausgabe des Gotteslob aus dem Lied „Mir nach, spricht Christus, unser Held“ (GL 461) auch gestrichen. Die Friedensbewegung aus den Achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat auch Widerhall in der kath. Kirche gefunden und die theologisch- kirchliche Sprache verändert.
Da Guardini den Nazis und dem Krieg äußerst kritisch gegenüberstand und sich nach dem Zweiten Weltkrieg um Versöhnung und geistliche Erneuerung einsetzte, mag es wundern, dass Worte wie „Schwert“ und „Kampf“ für ihn in seinem Verständnis der Heilsbotschaft existentiell waren. Heute wirken seine Worte wieder provozierend und hinterfragen eine Kultur der Harmonie, nach der sich viele sehnen, die aber Konflikte kleinredet und welche die revolutionäre Botschaft der Bibel oft unnötig „um des lieben Friedens willen“ entschärft.
Lassen wir Romano Guardini aber selbst zu Wort kommen:
Wodurch erwacht aber der Kampf? Was bringt das „Schwert“? … Der Mann auf dem Acker hat seine Welt: Acker, Pflug und Ernte, die Hütte und das Leben darin. Das ruht in sich, geht seinen Gang, hat seinen Frieden. Da stößt er auf einen Topf mit den Goldstücken: das Andere rührt an diese Welt und erschüttert sie. Seine Kostbarkeit entwertet, was bisher selbstverständlich war, und er fühlt sich gedrängt „alles“ wegzugeben, um das, was da ausgeleuchtet ist, zu erwerben. – Der Kaufmann hat sein Geschäft: Ankauf und Verkauf; geordnet von dem Verhältnis von Nutzen und Rechtlichkeit; Trieb nach neuem Erwerb und Bewahrung des Besitzes. Da sieht er die Perle, und das Übermaß ihrer Kostbarkeit wirft alle Zurückhaltung über den Haufen. Was er hat, erscheint klein, und er gibt „alles“ weg, um sie zu gewinnen.
Was also den Kampf bringt, ist kein bloßes Gebot, sondern dass eine Wirklichkeit sichtbar wird, die größer, ein Wert aufleuchtet, der kostbarer ist als das bisherige, die Welt. Und nicht größer und kostbarer im Sinne eines bloßen Mehr, so dass das Neue die Stufenleiter fortsetzte, die bereits innerhalb der Welt ins Unabsehbare hinaufsteigt, sondern höher als „Alles“. Die Richtung, woher „Perle“ und „Schatz“ die Erschütterung bringen, steht zu allen Wertordnungen innerhalb der Welt quer. Sie trifft die Hütte und den Palst, die flüchtige Menschenverbindung und die große Liebe, die notdürftige Arbeit und das schöpferische Werk. Dass die Kostbarkeit des ganz „Anderen“ aufleuchtet, dass der Ruf der Herrlichkeit des Reiches Gottes empfunden wird – das bringt den Kampf.
(Romano Guardini, Der Herr. Über Leben und Person Jesu Christi. 2. Aufl. 1981 Freiburg i.B., S. 214)

Thomas Kleine, Dr. theol., Krankenhausseelsorger in Stuttgart

 


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