Sonntagsgedanken, 26. Dezember 2020


26. Dezember 2020

2. Weihnachtsfeiertag

Fest des hl. Stephanus

 

So könnte es an einem 2. Weihnachtsfeiertag gewesen sein: Zu Beginn  des Gottesdienstes  intoniert der Organist die Melodie des Liedes „Tauet Himmel, den Gerechten“ – da stubst ein Mitfeiernder seinen Nachbarn an. „Hat sich der Organist vertan! Die Adventszeit ist doch vorbei. Wir feiern jetzt Weihnachten!“ Der Nachbar antwortet: „Warte, was der Zelebrant zu Einführung in die Messfeier sagen wird“.

Und so könnte die Einführung gelautet haben: Liebe Gemeinde, Sie wundern sich, zu Beginn die Melodie des Adventsliedes „Tauet Himmel“ gehört zu haben.  Gewiss erinnern Sie sich an den Vers „…denn verschlossen war das Tor, bis der der Heiland trat hervor“. Gestern am 1. Weihnachtstag sangen wir „Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis“, und heute feiern wir das Fest des hl. Stephanus. Nach seiner glühenden Darlegung der Heilsgeschichte vor den streitenden Parteien blickte er in den geöffneten Himmel und rief vom Heiligen Geist erfüllt: „Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“
Das ist der große Bogen, der sich an drei liturgischen Tagen von der Adventssehnsucht nach dem geöffneten Himmel zur unmittelbaren Schau in die Herrlichkeit Gottes und den Anblick des erhöhten Jesus Christus spannt.

Eine ausgedachte  Einführung zum 26. Dezember, an dem die meisten Menschen in den stimmungsvollen Liedern und Geschichten einer Krippenromantik leben. Dieser herbe Übergang zu einem Märtyrergedenken passt so gar nicht in weihnachtliche Befindlichkeit. Doch genau genommen liegt der Stephanstag richtig, schon angezeigt in dem beginnenden Lebensschicksal des Erlösers. In den Herbergen von Bethlehem war kein Platz für die Stunde seiner Geburt und wenig später trachtete Herodes nach seinem Leben.

Die vom Evangelisten Lukas verfasste Apostelgeschichte lädt ein, sich mit der Entwicklung der jungen Kirche intensiv zu befassen. Die Schau des offenen Himmels gab den umstehend Streitenden Anlass, Stephanus für diese Gotteslästerung zu steinigen. Sterbend rief er: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ Und wie Jesus selber: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!“

Von den sieben der von den Evangelisten übermittelten Worte Jesu am Kreuze, sind diese beiden Anrufungen diejenigen, die nur von Lukas übermittelt wurden.

Mit dem Tod des Stephanus beginnt die Verfolgung aller an Christus Glaubenden – bis in unsere heutige Zeit hinein. Über die Zahl der Ausgegrenzten, Unterdrückten und Ermordeten gibt es nur Mutmaßungen. Ob es 200 Millionen sind, ist eine nicht bestätigte Schätzung. Seit 2003 ruft die Deutsche Bischofskonferenz auf zu einem Gebetstag am 26. Dezember für die verfolgten und bedrängten Christen in der ganzen Welt.

Bis zum Jahr 1960 gab es noch einen zweiten Festtag zu Ehren des hl. Stephanus: Die Auffindung seiner Gebeine um das Jahr 415 in der Nähe von Jerusalem. Daraus entwickelten sich an vielen Orten bis heute bekannte Initiativen zur Verehrung des Erzmärtyrers der Kirche. Da es sich aber um eine stark legendenumwobene Begründung des Festes handelte, wurde es aus dem liturgischen Kalender herausgenommen.
Doch es gibt noch eine wichtige Anmerkung. Edith Stein und ihre mitinhaftierten Gefährten befanden sich auf dem Weg zum Durchgangslager Westerbork in den Niederlanden und von dort aus zum Vernichtungslager Auschwitz. Dieses Fest stand in den mitgenommenen Stundenbüchern der Ordensleute. Im Tagesgebet heißt es: „Herr, lass uns nachahmen, was wir feiern, so dass wir lernen, selbst unsere Feinde zu lieben, denn wir begehen ja die Auffindung dessen, der es verstand, sogar für seine Verfolger den Herrn anzuflehen“. Die innere Haltung werden die so Betenden nicht bis in die Stunde ihres qualvollen Todes in der Gaskammer aufgegeben haben. Hinzuzuzählen ist die aus Nijmegen stammende Sophie van Berckel. Als seit 1933 aus Nazideutschland die Juden in die Niederlande flüchteten, trug sie im Zusammenwirken mit der katholischen Kirche Sorge um die Ermöglichung der Emigration, um die Beschaffung von Pässen und die Betreuung in den Lagern. Als sie am 7. August 1942 den in Westerbork Inhaftierten praktische Hilfe bringen wollte, war der Transport schon in aller Frühe nach Auschwitz abgefahren. Wegen ihrer beherzten Hilfe für die Verfolgten wurde sie im Juni 1944 selber verhaftet und in das Frauen-KZ Ravensbrück deportiert. Entkräftet und krank starb sie 55jährig am 26. Dezember, am St. Stephanustag, 1944. Auf ihre Weise war sie im Sinn der Seligpreisungen Jesu dem Dienst des Patrons ihres Sterbetages gefolgt.

Die Beschäftigung mit dem Wirken und dem Tod des hl. Stephanus stößt auch an ein weiteres Thema an: Die Beziehung Stephanus – Saulus, später Paulus. Ohne nähere Reflexion soll aber an dieser Stelle hingewiesen werden auf den von Sieger Köder geschaffenen ausdruckstarken Stephanus–Saulus-Brunnen an der Stephanuskirche in Wasseralfingen.

 

Elisabeth Prégardier

Der Himmel

geht über allen auf,

auf alle über,

über allen auf.

Peter Janssens


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