Sonntagsgedanken, 24. Mai 2020


Siebter Sonntag der Osterzeit

Liebe Leser,

das Abschiedsgebet Jesu (Johannesevangelium Kapitel 17,1-11a als Teil daraus) nimmt uns hinein in die Liebe Gottes. Jesus betet für uns. Er will uns, sein Gottesvolk, neu in unsere Bestimmung zurückführen, Volk Gottes inmitten der schwierigen Welt zu sein. Jesus schafft im Gottesvolk und im Einzelnen einen Raum der Antwort auf seine Hingabe und seine Auferstehung. Jesus heiligt sich selbst und er erwirkt Heiligkeit für die Seinen. Sein Kreuz und seine Erhöhung und Auferstehung ist die Versöhnungstat für die Seinen in der Welt gegen Schuld und Sinnlosigkeiten. Alle Gebete, einzeln und gemeinsam, sollen in den inneren Dialog Gottes, in seine Vernunft und seine Liebe hineingezogen werden.

Wir schauen auf Vers 3: Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast. „Ewiges Leben“ ist das Leben selbst, das eigentliche Leben, das auch in dieser Zeit gelebt werden kann, das in dieser Zeit beginnt als das wahre Leben mit Gott und das hineinreicht in das ewige Leben bei Gott. Vers 3 ist eine kurze Beschreibung des Glaubens, in der der wesentliche Gehalt der Entscheidung zum Christsein sichtbar wird: die Erkenntnis, die uns der Glaube schenkt. Ewiges Leben ist ein Beziehungsereignis. Der Mensch hat es nicht aus sich selbst. Durch die Beziehung zu dem, der selbst das Leben ist, wird auch er ein Lebender.  Sich jeden Tag in die Lebendigkeit Gottes hineinzustellen fällt manchmal sehr schwer, besonders in den Zeiten dieser Krise. Das Vertrauen auf Gott wird herausgefordert. Auch in dieser Situation betet Jesus für uns: „Ich habe deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen“.  Die Selbstgabe Gottes in Christus ist nicht Vergangenheit: „Ich werde ihn bekannt machen“ (17,26).

Eine besondere Realisierung dieser Zusage „dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ ereignet sich in der Anbetung. An zwei zentralen Stellen schreibt Romano Guardini einen Artikel über die Anbetung. Dabei kann man sofort spüren: er hat es zuerst selber praktiziert, er beschreibt die Anbetung aus einer Fülle eigener Erfahrung. Ein Artikel befindet sich in seinem Buch „Der Herr“ (Siebenter Teil: Zeit und Ewigkeit, IV. Die Anbetung), den anderen  Artikel finden wir im Buch „Glaubenserkenntnis“ als ersten Artikel des Buches (Seiten 7-19). Kleine Ausschnitte aus den beiden Artikeln finden sie auch in dem Buch „Das Romano Guardini Gottesdienstbuch, Impulse und Lesetexte“ (Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2018).

Zwei mir wertvolle Stellen seien zitiert. Aus Romano Guardini, Der Herr: „Es gibt nichts Wichtigeres für den Menschen, als dass er lerne, sich mit dem inneren Sein vor Gott zu neigen; Ihm Raum zu geben, dass Er aufsteige und der Eigentliche sei, deshalb, weil Er würdig ist, es zu sein. Zu denken, innerlich nachzuvollziehen, dass Gott der Anbetung würdig ist, aus Seiner Wahrheit heraus, unendlich, restlos – das ist heilig und groß und macht gesund von Grund aus. Wir haben in diesen Betrachtungen nicht oft von praktischen Dingen gesprochen. Unser Augenmerk war immer darauf gerichtet, Christus zu verstehen. Hier wollen wir aber etwas Derartiges sagen, weil wir etwas vom Letzten berührt haben, das unser Dasein trägt. Wir sollten uns verpflichten, die Anbetung zu üben.“

Aus Romano Guardini, Glaubenserkenntnis: „Davon, ob in unserem Leben die Anbetung ist, hängt irgendwie alles ab. So oft wir anbeten, geschieht etwas; in uns selbst und um uns her. Die Dinge werden richtig. Wir kommen in die Wahrheit. Der Blick schärft sich. So manches, was uns bedrückte, löst sich. Wir unterscheiden besser zwischen Wichtig und Unwichtig, zwischen Zweck und Mittel, Ziel und Weg. Wir sehen klarer, was gut und was böse ist. Die Verschleierungen, die das tägliche Leben bewirkt, die Verschiebungen und Verfälschungen der Maßstäbe werden wenigstens in etwa zurechtgerückt.“

Die Erfahrung kann zeigen: Geistliches Leben wird genährt aus dem Wort Gottes, aus einer guten Literatur, aus der Schau in die Schöpfung, aus dem Gebet des einzelnen Menschen und aus dem Gebet in der Gemeinschaft des Gottesvolkes, aus den Sakramenten, aus der Stille und aus der Anbetung. Der Heilige Geist, der in uns Wohnung nehmen kann, zieht uns in Gott hinein, verbindet uns mit Gott.  Er ist die Gabe des Sohnes und des Vaters. Die Selbstgabe Gottes in Christus geht weiter, durch den Einzelnen in die Gemeinde hinein. Oft schon durfte ich hören: Ohne meinen Glauben hätte ich es nicht geschafft. Das kann auch bedeuten: Mit meinem Glauben werde ich es schaffen, mit Geduld, mit Gebet, mit der Gemeinschaft der Betenden. Betroffen höre ich dann zu, denn es geht mir selber genau gleich. Das Angebot der Anbetung wird angenommen, nicht von Vielen, aber mit besonderer Freude. Auch von mir selbst.

Liebe Grüße, Ihr Pfarrer Gunnar Sohl


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