Sonntagsgedanken, 21. November 2021


Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedanken zum Christkönigssonntag, Lesejahr B

„König der Welt“

 

Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Freunde von Mooshausen,

Sie haben eine Vermutung, auf was bzw. wen sich der abgebildete Diamant bezieht?

Auf Jesus Christus, den Glauben als „die kostbare Perle“, auf den Glanz der Wahrheit, auf ein königliches Diadem? Alles nicht ganz falsch.

 Aber zusammen mit der Überschrift bezieht sich das Bild auf ein Lied, das eine Band namens Karat bekannt gemacht hat und das im Refrain immer wieder unterstreicht: „König der Welt ist das Herz, das liebt“.

Der Christkönigssonntag schließt das Kirchenjahr ab und dann schon beginnt der Advent und damit die Weihnachtszeit.

Das Bild eines Königs hat wohl nur in Märchen noch seinen alten Glanz bewahrt und einige Staaten leisten sich noch ein Königshaus vielleicht gerade dieses zauberhaften Glanzes wegen…

 Nun, als Jesus vor Pilatus sein Königtum bekräftigt, eines, das gerade nicht weltlichen Glanz beansprucht, geschweige denn politische Macht, da verknüpft er diese königliche Würde mit dem Begriff der Wahrheit, die hier durchaus für seine authentische Liebe zu jedem Menschen steht. Als König in der Wahrheit macht sich dieser Herrscher zum Diener seines Volkes, ja eines jeden Menschen.

Der römische Machtmensch Pilatus versteht ihn nicht: Was soll das bedeuten „für die Wahrheit Zeugnis ablegen“? Was ist das überhaupt Wahrheit?

Wir wagen es heute auch kaum noch, auch als Kirche, einen Wahrheitsanspruch zu formulieren. Zuviel Unwahrhaftiges ist geschehen; wahrhaft demütig sollten wir sein im Blick auf all die gezeigten Schwächen und Sünden. Aber können Fehler, Fehlverhalten und Fehleinstellungen die Wahrheit verfälschen?

Die Wahrheit ist doch eher wie der Diamant. Sie hat soundso viel Karat, daran ist nicht zu rütteln. Verdunkeln ja, aber auslöschen? Nein.

 „Verneigt euch tief und soweit es geht vor dieser herrlichen Majestät“, singt Karat weiter. Wir dürfen im Wahrheitsdiamanten Jesus Christus selbst sehen. Ihn als König auch der Herzen anerkennen, wird die Wahrheit meines Lebens, des Lebens der Kirche und der Liebe (Caritas) neu beleben und zum Leuchten bringen.

Gesegneten Sonntag und Vorfreude im Advent!

 

P.S. 1 Falls Sie das Lied einmal (nach)hören wollen, hier ein Link:

                                    https://www.youtube.com/watch?v=SE9gw5y5-mQ

P.S. 2 In einer längeren Fußnote möchte ich Ihnen noch gern die Gedanken von Klaus Berger zu dieser Bibelstelle zur Verfügung stellen. Es lohnt, sie zu lesen![1]

 

Pfr. Dr. Andreas Martin
Caritasrektor des DiCV Dresden-Meißen

 

[1]Joh 18,37f: Wahrheit im JohEv Im Sinne des JohEv stellt Pilatus die falsche Fra­ge. Er hätte nicht fragen sollen: »Was ist Wahr­heit?«, sondern: »Wer ist die Wahrheit?« Denn im JohEv ist die Wahrheit Person. Kurz zuvor hat­te nämüch Jesus gesagt: »Ich bin die Wahrheit« (Joh 14,6). Das ist nicht einfach zu verstehen, wenn man von unserem heutigen Begriff von Wahrheit ausgeht.

      Bei dem, was die Bibel unter »Wahrheit« ver­steht, müssen wir kräftig umlernen. Denn in der gesamten Bibel ist Wahrheit nicht etwas, mit dem man einfach Recht hat, sondern Wahrheit ist sehr viel mehr Sie ist die Kraft, die einem hilft, zurechtzukommen, und zwar mit Leben und Tod. Wahrheit ist das, was bleibt, indem es den Tod überwindet. Das schließt ein, dass das »stimmt«, was man glaubt; aber es ist mehr, näm­lich das, was immer sein wird, was am Ende sieg­reich über alles Vergängliche triumphiert. Des­sen liebevolle Zuwendung und Stellvertretung diesen Sieg vermittweit. – Wahrheit ist keine Sa­che, sondern Gott selbst ist die Wahrheit. Wer darauf gründet, der hat Anteil an der Kraft, die gegen den Tod gefeit ist. Kein kurzfristiger Nach­weis ist hier tauglich. Ob etwas im Sinne der Bi­bel »trägt«, entscheidet sich vielmehr daran, wer buchstäblich »zuletzt lacht«. Deshalb eignet man sich Wahrheit nach der Bibel nur so an, indem man Jesus nachfolgt.

      Im Bann der griechischen Philosophie haben wir uns längst daran gewöhnt, unter Wahrheit die Übereinstimung von Aussage und Sachver­halt zu verstehen. Die Kriterien dieser Richtigkeit sind Erweisbarkeit und Nachprüfbarkeit. Doch die Bibel kennt einen anderen, für sie selbst wichtigeren Begriff von Wahrheit. Dabei geht es um folgende Aspekte: Schon die Psalmen sprechen von Gottes Gerechtigkeit und Wahrheit. In diesem Sinne sagt Jesus: »Die Wahrheit wird euch befreien«, nämlich von der Sünde (Joh 8,32). Wahrheit ist hier etwas, das von Gott, strahlt. Entscheidend ist nicht die kausale Erweisbarkeit, sondern die rettende Wirkung.

      Ein weiterer Aspekt: Laut dem JohEv (und ähnlich kennen wir es von den Texten aus Qumran) sagt Jesus, dass man die Wahrheit tun soll (Joh 3,21). Eine gedankliche Richtigkeit kann man nicht tun. Die Wahrheit tun heißt vielmehr: auf Gottes Verlässlichkeit aufbauen und selbst verlässlich handeln, Leben weitergeben und nicht zerstören. Und auch wenn Jesus sagt: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben«(Joh 14,6), meint er ganz sicher nicht die Richtigkeit einer Meinung, sondern die Verlässlichkeit, die von ihm selbst ausgeht.

      In allen diesen Texten geht es um die Wahrheit also nicht im Sinne der Richtigkeit des Erkannten (Kontrast zum Falschen), und der Rede über Er­kanntes (Kontrast zur Lüge), sondern um die Wahrheit Gottes im Sinne seiner über den Tod erhabenen Macht. Denn er ist nicht vergänglich, sodass er wie ein Schatten dahinginge. Er ist nicht trügerischer Schein, sodass er wie eine Hal­luzination zerflattern müsste.

      Wenn das stimmt, dann unterscheidet sich auch die Art der Anteilhabe an dieser Wahrheit von einer richtigen Erkenntnis. Denn nur wer sich auf Jesus persönlich einlässt, sich zu ihm be­kennt, der hat Teil an dieser Wahrheit Gottes. Da­mit aber geht es nicht um Erkenntnistheorie (wie bei Falschheit oder Irrtum) oder Moral (wie bei Lüge), sondern um Macht, Potenz und Dynamik. Letztlich werden die Jünger Mitregenten.

      Wenn Wahrheit auf diese Weise Person ist, ge­schieht die Aneignung der Wahrheit nicht, in­dem man sich im Buchladen einen Text kauft und ihn dann zur Kenntnis nimmt oder wohl­wollend über ihn denkt. Wenn diese Wahrheit Person ist, dann geschieht ihre Aneignung in der Weise, dass Jünger sich mit ihrer ganzen Per­son zu dieser Person verhalten.

      Das Kriterium für die Echtheit von Wunderheilungen und Exorzismen gilt auch für die Fra­ge nach Wahrheit allgemein: Was im Ganzen und auf Dauer hilft, ist wahr. Und dabei bezieht sich das »auf Dauer« bis hinein in die unvorstellbare Dauer des ewigen Lebens. Die Wahrheit Gottes trägt über den Tod hinaus. – Zur kirchlichen Lehre und zum Bekenntnis verhält sich die­se Wahrheit wie folgt: In den Aussagen des Be­kenntnisses erkennt die Kirche ihre Lebensbezie­hung zu Jesus wieder. Hier wird das mitteilbar und vom Verstand angeeignet, was selbst umfas­sender ist. Es bedarf der Fixierung als Lehre, damit man selber immer wieder Klarheit gewinnen kann, nicht zuletzt auch um den besonderen Ge­halt und Anspruch dieser »Freundschaft« vor sich selbst und vor anderen deutlich zu machen.

      Wenn Jesus nun »von der Wahrheit« Zeugnis gibt, dann meldet er den Anspruch und die Macht Gottes an. Dann verkündet er mit Wort und Tat, was Gott für die Welt bedeutet. Sein Reich wird den Tod überwinden. Insofern er­gänzt sich diese Aussage mit Mt 16,18, wo von der Kirche gesagt ist, dass der Tod (die »Pforten des Hades«) sie nicht überwinden wird.

      Jesus ist in diesem Sinne ein König, denn Köni­ge sind in der Antike zur Zeit des Neuen Testa­ments diejenigen, die allein frei sind im Unter­schied zu allen anderen. Von dieser Freiheit durch die Wahrheit hatte schon Joh 8,32 gespro­chen (»Die Wahrheit wird euch befreien«). Die­ser König repräsentiert und vermittelt daher die Freiheit von Sünde, Tod und Teufel. Sein Reich ist genau dieser freie Raum, in dem wir Menschen frei geworden sind von dem, was sie wirklich be­droht. (Berger, K.: Kommentar zum Neuen Testament, Gütersloh 2011, 404f.)


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