Gedanken zum 1. Fastensonntag Lesejahr B
Wüste der Angst
Wir sind es gewohnt, die knappe Schilderung des Markus auf Grund der Berichte bei Matthäus und Lukas zu lesen: Jesus wird vom Geist in die Wüste geführt, er fastet 40 Tage, wird vom Satan versucht, besteht und beginnt sein öffentliches Wirken. Soweit so gut; aber so steht es nicht bei Markus.
Einige Unterschiede sind nach dem Wortlaut auszumachen: Zunächst ist bei Markus keine Rede davon, dass Jesus in der Wüste fastet, dann wird nur bei Markus erwähnt, dass er „bei den wilden Tieren“ lebt und Engel ihm dienen. All das hat den Exegeten Klaus Berger zu eigenständigen Überlegungen geführt, die auf den zweiten Blick durchaus einleuchten und unsere Perikope vom 1. Fastensonntag erleuchten: Markus macht in seinem Evangelium durchgängig eine Parallele auf zwischen dem Leben und Wirken des alttestamentlichen Propheten Elija und Jesus.
Berger beschreibt die Typologie zwischen den beiden: „Jesus beruft die Jünger wie Elija. Er weckt die Tochter des Jaïrus nach dem ‚Rezept‘ des Elija, er wirkt das Speisungswunder mit den Broten wie Elischa, Schüler Elijas, er spricht mit Elija bei der Verklärung, man diskutiert, ob er selbst oder Johannes der Täufer der wiederkommende Elija ist. (…) Beide Propheten sind auf dem Weg zu einem Berg (Horeb – Berg der Verklärung, Golgota) (…) Beiden helfen Engel an der äußerlich schwächsten Stelle bei Hunger und Durst. (vgl. 1 Kön 19 …) Die Zeit in der Wüste ist für beide die Zeit der Anfechtung. (…) 40 Tage sind Elija und Jesus in der Wüste.“[1]
Beide hatten große Angst. Elija floh vor König Ahab bzw. seiner rachsüchtigen Frau Isebel (1 Kön 19,1f.), Jesus war spätestens am Schicksal Johannes des Täufers klar geworden, was auch ihm drohte.
An diesem Punkt sind wir im Heute angelangt: Eine Wolke der Angst hat sich seit der Corona-Pandemie über uns gelegt. Menschen laufen auf freiem Feld mit einer Maske herum, sitzen maskiert am Steuer ihres Autos, meiden – nicht nur weil es verordnet ist – ihre Mitbürger und sogar die nächsten Verwandten. Nichts von dem Gefühl, dass da ein schützender Bogen vom Himmel her über uns schwebt, von Gott gestiftet als Zeichen des neuen Lebens für die Menschen und seines Bundes mit ihnen, wie die erste Lesung heute ausführt; nicht die Erinnerung an das Wort des Petrus, dass da einer für uns gestorben ist, damit er uns „zu Gott hinführe“ – so in der zweiten Lesung.
In der Wüsten-Angst-Situation sind drei Elemente gegeben – schon bei Jesus im Markus-Evangelium:
Den Blick wieder aufs Wesentliche zu richten, zu besitzen als besäße man nicht, Leben als Gabe zu empfinden und jeden Tag als Geschenk zu empfangen von Gott.
Es ist immer der eine Berg zu dem wir alle unterwegs sind: Horeb – Berg der Verklärung – Golgota – Himmelfahrtsberg… Davor liegt die Wüste, aber sie ist Gottes voll!
Gesegneten Sonntag!
Pfr. Dr. Andreas Martin
—
[1]Berger, K.: Kommentar zum Neuen Testament, Gütersloh 2011, 136ff. (biblische Namen wurden vom Autor der biblischen Schreibung der EÜ angepasst)
[2]Katechismus der katholischen Kirche, Oldenburg 1993, Nr. 395
[3]https://de.wikipedia.org/wiki/Wovon_die_Menschen_leben
Eine Liste aller „Sonntagsgedanken 2020“ finden Sie » hier.
Eine Liste aller „Sonntagsgedanken 2021“ finden Sie » hier.