Sonntagsgedanken, 16. Mai 2021


Gedanken  zum 7. Ostersonntag Lesejahr B

 

In der Welt sein

Diese Zeilen entstehen noch unter dem Eindruck der Himmelfahrt unseres Herrn und mit Blick auf das Pfingstfest, das unmittelbar bevorsteht. Vielleicht – hoffentlich! – gibt es da und dort noch die gute alte Praxis der Pfingstnovene, einem täglichen Gebet um die Herabkunft des Heiligen Geistes.

Nun ich möchte zunächst ein Ihnen wohl vertrautes Werk in Auszügen zitieren, weil es auf seine Weise die drei Festtage (Himmelfahrt, den heutigen 7. Ostersonntag und Pfingsten) aufruft. Es ist entnommen aus „Deutschland. Ein Wintermärchen“ von Heinrich Heine:

Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten. (…)

Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.

Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.

Obwohl sich Heine hier recht zynisch, sogar despektierlich über den Himmel „auslässt“, trifft er doch den Kern der Sache. Er schreibt diese Zeilen noch vor den beiden mörderischen Weltkriegen und vor dem Gräuel, den kommunistische und andere Regime anrichten werden, noch vor einer Zeit, in der sich Fortschritts- und Machbarkeitswahn ins Unkontrollierbare steigern.

Er glaubt noch an „Zuckererbsen“, einem „süßen“ Bild für das Zusammenwirken von Mensch und Natur. Ja, es gilt hier auf Erden tätig zu werden. Auch die beiden Männer in weißen Kleidern sagen den Jüngern: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr hier und starrt in den Himmel!“ Geht lieber los in die Welt, werdet tätig für das Evangelium. Dazu wird Gott seinen Geist aus dem Himmel senden. Der eine (Jesus) geht, der andere (der Geist) kommt!

Der Mensch wird tätig, der Bauer, der Gärtner, aber ihm ist schon vorgegeben aus der Schöpferhand der Same für die Früchte, die da „platzen“ sollen.

Wir haben im Deutschen nur ein Wort für Himmel, für den Flugzeughimmel (engl. sky), ebenso wie für den Hoffnungshimmel des Glaubens (engl. heaven).

Auch Heine scheint darauf anzuspielen, wenn er den einen Himmel den Engeln (heaven-Bewohnern) und den Spatzen (sky-Nutzern) überlassen will. Wie dem auch sei. Ja, wir wirken unser Heil in dieser Welt und sind doch als Glaubende nicht von dieser Welt, wir sitzen unter dem freien Himmel der Atmosphäre und sollten doch den Himmel Gottes in uns tragen und überall wahrnehmen. Durch Taufe und Firmung haben wir ein Sensorium von Gott erhalten, um ihn, den Geist, überall aufzuspüren und auch mit Gottes Hilfe hinzubringen, wo wir mit Christus vereint leben, vereint als einzelne und untereinander als seine Kirche.

Eine Talkrunde von jungen, engagierten Christen diskutierte dieser Tage die Auswirkungen von Corona auf Kirche und Glauben. Es war sehr interessant, was sie entdeckten:

Zunächst glaubten alle, auch die Kirche, an einen Unfall, dessen Schaden es zu begrenzen gilt, man dämmte ein, man schuf einen Modus vivendi, man hoffte auf ein Danach, wo es wie davor weitergehen würde. Doch langsam dämmerte die Einsicht, dass das nicht so sein wird. Die, die aus Gewohnheit sonntags zur Kirche gingen, sagen sich inzwischen: „Ach, geht doch auch ganz gut ohne!“ Sie werden nicht wiederkommen. Die Volkskirche muss und wird zur Bekenntniskirche, mag der Feind heute auch nicht Nationalsozialismus, sondern Glaubensabfall und Gleichgültigkeit heißen.

Es haben sich neue Formate herausgebildet: Internet-Kirchen, Glaubenskurse, die Menschen neu zu Gott führen, Netzwerke des Glaubens.

Man hat den Wert der stabilitas loci, der Ansässigkeit, wiederentdeckt. Ein Baum steht an Wasserbächen und bringt Frucht und rennt nicht hin und her wie die Deutschen, die im Jahr 2019 im Durchschnitt! Täglich! 39 Kilometer zurückgelegt haben.

Himmelfahrt, Pfingsten laden uns ein, eine charismengeleitete Kirche zu stärken, wo wir unsere Gnadengaben entdecken, bündeln und für die Kirche des Herrn einsetzen.

Ich bin Heinrich Heine recht dankbar für seine aufrüttelnden Zeilen. Er blieb stets ein kritischer Geist, aber dieser Geist hat ihn letztlich – nach seiner „Matratzengruft“ – noch zum Glauben und zu Gott geführt. Mögen wir es auch bei uns immer neu zulassen. Gesegnete Pfingsten wünscht von Herzen

 

Pfr. Dr. Andreas Martin


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