Sonntagsgedanken, 08. November 2020


32. Sonntag im Jahreskreis, 8. November 2020

An der Hand des Herrn

Wenn ich die Einladung erhalte, zum Sonntag meine Gedanken niederzuschreiben, dann greife ich zuerst zum kleinen handlichen Schott Messbuch für die Sonn- und Feiertage des Lesejahres A. Mit Bedacht lese ich die Texte für den ausgewählten Sonntag. Heute geht es um den 32. Sonntag im Jahreskreis, dem nachfolgenden Sonntag von Allerheiligen. In drei Wochen beginnt die Adventszeit, dieses Mal in dem außerordentlichen und ungewöhnlichen Jahr 2020.

Die große Linie des heutigen Sonntags heißt: Der endgültigen Begegnung mit Gott entgegengehen im Vertrauen auf sein Geleit (Tagesgebet), die Suche und das Dürsten nach Gott (1. Lesung und Antwortpsalm), die Zuversicht, „immer beim Herrn zu sein“ (2. Lesung) und im Evangelium dann das vertraute Gleichnis über die zehn Jungfrauen mit erfüllter und vertaner Wartezeit.

Im Tagesgebet heißt es. „Wir sind dein Eigentum, du hast uns in die Hand geschrieben“. (Jesaja 49,16). Sogleich kommen Bibelzitate in den Sinn von der Hand des Herrn, die schützt, die trägt, aber die auch richtet. In diesem Zusammenhang ist mir besonders nah ein Wort von Edith Stein, das sie 1931 an eine befreundete Ordensfrau schrieb: „Es ist im Grunde eine kleine, einfache Wahrheit, die ich zu sagen habe, wie man es anfangen kann, an der Hand des Herrn zu leben.“

Ist es gegenwärtig wirklich so einfach an der Hand des Herrn zu leben?

Die täglich anwachsende Zahl der vom Corona-Virus infizierten Personen, die Zahl der positiv Getesteten sowie die im Lebensalltag stark zu spürenden Einschränkungen der Quarantäne, dann die Sorge um die schwer Erkrankten und schließlich der schmerzliche Verlust der Toten. Hinzu kommen die Ängste um den Erhalt von Arbeitsplätzen und Betrieben. Wer ärgert sich nicht über die unentwegten Besserwisser, die alles viel anders und besser organisieren könnten. Als Nicht-Entscheidungsträger ist solche Kritik leicht zu behaupten. In der Öffentlichkeit ist nach meiner Meinung nicht hinreichend die Aufforderung und die freiwillige Akzeptanz vernehmbar vom fremdgewordenen Wort „Verzicht“. Aber, was hat dies alles mit der Hand des Herrn zu tun?

Wieviel Zuspruch kommt uns in der 1. Lesung mit den verheißungsvollen Worten aus dem alttestamentlichen Buch der Weisheit entgegen! Wer sie sucht, wird sie finden. Weisheit und Wahrheit gehören eng zueinander. Bemerkenswert, daß in Deutschland auf sechs der siebzehn der hl. Edith Stein gewidmeten Glocken die Worte stehen „Wer die Wahrheit sucht, der findet Gott, ob es ihm klar ist oder nicht.“ Diese Glocken läuten in Kirchtürmen der Orte Hamburg, Homburg/Saar, Köln, Northeim, Poing, Ratingen und geben hörbar diese Botschaft weiter. Übersehen werden sollte nicht der letzte Vers 6,16 der 1. Lesung, daß auch die Weisheit sich selber auf den Weg macht, „die zu suchen, die ihrer würdig sind“.

Schon der erste Vers des Antwortpsalms 63 spricht die unbändige Sehnsucht des Beters nach Gott aus: „Meine Seele dürstet nach dir – wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser.“

In der 2. Lesung stärkt der Apostel Paulus die Gemeinde in Thessaloniki mit der Verheißung, daß die Entschlafenen durch Jesus in die Gemeinschaft mit Gott geführt werden und auch die am Ende Übriggebliebenen ihr Ziel erreichen, „immer beim Herrn zu sein.“

Das vertraute Evangelium von den zehn klugen und törichten Jungfrauen findet in der exegetischen Literatur eine vielseitige Interpretation und in der Baukunst eine eindrucksvolle Ausgestaltung der Portale vor allem in den gotischen Kathedralen. Eine Recherche im Internet nennt 24 Kirchen und Kathedralen mit den ausdrucksstarken Figuren. Bei meinen mehrfachen Besuchen des Magdeburger Domes sind mir die zehn Figuren der Marienpforte sehr nahe. Was mich nun in der heutigen Betrachtung bewegt, ist nicht die Auslegung der Perikope, sondern die Betrachtung der Törichten –zumindest gelegentlich – mit der Frage, ob ich meine Lebenszeit nicht auch vertrödle, vertue, verplane und verschlafe. Gleichzeitig frage ich mich mit Blick auf die Klugen, ob ich genügend Sorge trage, meine Lebenslichtlampe mit Öl zu füllen, um zur gegebenen Stunde durch die letzte Tür gehen zu dürfen. Eine ernste Gewissenerforschung!

Über meine Gedanken zu den liturgischen Texten hinaus, möchte ich noch einige Anmerkungen zu den zum 32. Sonntag im Jahreskreis passenden Liedern mitteilen.

Unter der Nummer 435 steht im GOTTESLOB das schöne Lied „Herr, ich bin dein Eigentum“. Da ich auch immer auf das Kleindruckte schaue, ist mir aufgefallen, daß die vier Strophen drei verschiedene Verfasser haben. Die erste wurde von dem evangelischen Prediger Balthasar Münter 1774 verfaßt, die zweite Strophe 1963 von dem katholischen Liederdichter Georg Thurmair, die dritte und vierte Strophe stammen aus Innsbruck. Und schließlich wurde die Melodie schon 1694 in Dresden gesungen. Von Georg Thurmair stammt der im Reim gefaßte Bezug zum Tagesgebet des Sonntags: „So weiß ich, du hast mich in die Hand geschrieben, ewig mich zu lieben.“

Mich macht immer betroffen, wenn bei aller notwendigen Veränderung und Reform der Kirche Sprüche die Diskussionen durchwehen wie „Die alte Kirche gibt es nicht mehr!“ Dieses raum- und zeitumgreifende Lied im GOTTESLOB zeigt uns, auf welchen Schultern wir stehen, wenn es uns in Corona geplagten Zeiten in eine neue Zukunft führt.

Zum Liedgut des heutigen Sonntags gehört auch das besonders in der Adventszeit häufig gesungene Lied „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. Der Blick auf das Kleingedruckte eröffnet uns wiederum einen historischen Horizont, der auch mit der gegenwärtigen, gesundheitlichen und sozialen Situation zu tun hat. GOTTESLOB 554, Text und Melodie Philipp Nicolai 1599

Philipp Nicolai war von 1596-1601 lutherischer Pfarrer in Unna. Kurz nach seinem Amtsantritt brach in Unna die Pest aus. In den sieben Monaten, in denen sie wütete, starben 1.400 Menschen, ein Drittel der Stadt, darunter seine beiden Schwestern. Allein im Juli 1597 gab es 300 Tote. Am 15. Januar 1598 schließlich konnte Nicolai schreiben:  „Die Pest hat zu wüten aufgehört, und durch Gottes Gnade bin ich recht wohl. Während der ganzen Zeit der Pest habe ich aber unter Hintansetzung aller Streitigkeiten mit Gebeten hingebracht und mit dem löblichen Nachdenken über das ewige Leben und den Zustand der teuren Seelen im himmlischen Paradies vor dem jüngsten Tage.” Als Ergebnis dieser schweren Zeiten erschien 1599 sein „Freudenspiegel des ewigen Lebens”, in dem seine beiden Lieder „Wie schön leuchtet der Morgenstern” und „Wachet auf, ruft uns die Stimme” enthalten sind. Das Lied ist eigentlich eine Erzählung des Gleichnisses von den zehn Jungfrauen. Die Melodie gestaltete Nicolai nach einer Melodievorlage von Hans Sachs.

Zum Schluß noch ein Hinweis auf zwei frühere Veranstaltungen in Mooshausen zur Einstimmung auf die Adventszeit. Am 1. Dezember 2001 „Wach auf, du Stadt Jerusalem“ mit einem zusätzlichen Faltblatt „Wächter, wie lange noch dauert die Nacht?“ (Jesaja 21,11). Am 28. November 2009 hieß das Thema „Zion hört die Wächter singen“. Gerne denken die Gestalter an diese Angebote mit einem guten Zuspruch vonseiten der Teilnehmer zurück. Inzwischen haben sich die Zeiten und die Umstände verändert und wir sind dankbar, daß wir über die Medien weitaus mehr Menschen erreichen, denen die Ziele des Freundeskreises Mooshausen e.V. ebenfalls ein Anliegen sind.

 

Elisabeth Prégardier, Oberhausen


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