Sonntagsgedanken, 15. August 2021


Bild: Dimitris Vetsikas auf Pixabay

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Gedanken zum 20. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B
Fest „Mariä Aufnahme in den Himmel“

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Freunde von Mooshausen,
wünschen wir uns das nicht alle und hätten wir es uns nicht in Pandemiezeiten für die uns Anvertrauten gewünscht: Die ganze Familie umsteht das Bett des Sterbenden. Sie beten mit ihm und für ihn, für die scheidende Familienmutter, die Oma, die nach langer Krankheit selbst dankbar ist, nun heimzugehen zu Gott, die dankbar zurückschaut auf ein langes Leben, das sich nun vollenden soll.
Wir wissen, dass das nicht mehr sooft geschieht oder eben geradezu verboten war in Coronazeiten. Das hat oft regelrechte Traumata zurückgelassen.
Als die Gottesmutter Maria Abschied nimmt, so sagt es die Überlieferung der Kirche, waren alle Apostel gekommen. Vielleicht auf wunderbare Weise von Engeln aus allen Erdteilen herbeigetragen – denn sie waren schon losgegangen, um die Botschaft des Evangeliums in den Mittelmeerraum zu bringen und darüber hinaus – oder, wie es recht natürlich zu erklären wäre, weil sie zum ersten Apostelkonzil in Jerusalem zusammengekommen waren. Johannes, dem Jesus seine Mutter am Kreuz anvertraut hatte, bringt Maria mit. Und: Maria stirbt in diesen Tagen.
Aber es ist ein besonderes Sterben: Sie „entschläft“, wie die Ostkirche sagt, und damit ist letztlich das gemeint, was auch die Westkirche glaubt: Maria wird mit „Leib und Seele“ in den Himmel aufgenommen. Auch ihr Grab in Jerusalem ist leer!
Jesus hat an seiner Mutter als erster das verwirklicht, was auch jedem und jeder von uns versprochen ist: Du wirst als ganzer Mensch bei mir sein. Auch du wirst einen Auferstehungsleib empfangen, der untrennbar mit deiner Seele verbunden bleibt.
Unser Leben hier hat nur dann wirklich einen Sinn, wenn es in ein vollendetes Leben dort eingeht. Wir sind auf Ewigkeit hin angelegt, das spüren wir deutlich, wenn wir uns dann und wann die Zeit nehmen, „hineinzuspüren“ in dieses Geheimnis unseres Daseins. Worte von Romano Guardini können uns dabei helfen:
Was den Inhalt des Dogmas selbst angeht, so scheint er für das christliche Leben ein Doppeltes zu bedeuten.
Vor allem rückt er ins Bewußtsein, daß es der Offenbarung nicht um »den Geist« oder »die Seele«, sondern um den Menschen geht. Der Mensch ist erlöst; das ewige Leben, von dem Christus redet, ist Leben des Menschen; das Reich, das Er aufrichtet, ist Reich Gottes unter den Menschen. Gewiß wird das in grundlegender Weise durch Christi Auferstehung und Himmelfahrt und sein »Sitzen zur Rechten des Vaters« verkündet. Wird es aber auch hinreichend realisiert? Verschwindet Christi Menschenwesen nicht in der Ferne von Gottes »unzugänglichem Licht«? Wird es vom Gefühl nicht doch spiritualisiert und damit »aufgelöst« — ebenso wie Biologismus und Materialismus unserer Zeit sich vor seine gottmenschliche Wirklichkeit stellen? Redet in unserem Gefühl der Glaube an den auferstandenen Herrn eindeutig genug gegen die furchtbare Entehrung des Menschentums, die sich überall und durch Alle, auch die lautesten Verkünder der Menschenrechte, vollzieht?
Maria ist Mensch wie wir, weder eine bloße »Seele«, noch eine »Göttin«. Wenn also von ihr gesagt ist, sie sei mit ihrem vollen Menschenwesen in Gottes Herrlichkeit aufgenommen, dann spricht das sehr eindringlich davon, was der Menschenleib ist: jene geheimnisvolle, alltägliche und zugleich auf die Ewigkeit hingeordnete Wirklichkeit, die einst in Gottes Leben hineingeholt werden soll. Es spricht aber auch davon, wer der Lebendige Gott ist, an den wir glauben: Jener, der solches vermag und will, und also ein sehr Anderer ist als der bloß-absolute Geist, von dem die spiritualistischen Philosophen reden, und den die materialistischen leugnen. Dazu kommt ein zweites, das aber mit dem soeben Gesagten eng zusammenhängt. Es wurde bereits von der christlichen Lehre über den Tod gesprochen. Die Neuzeit hat diese Lehre lang verlassen. Damit hat sie aber, auch wo sie von einer Unzerstörbarkeit des Menschengeistes spricht, den Haltepunkt über dem Tod verloren und verfällt diesem immer mehr. Sie naturalisiert ihn, als das selbstverständliche Ende des biologischen Prozesses. Sie heroisiert ihn, als den letzten Ausdruck der Daseinstragik. Sie verherrlicht ihn, als dionysische Steigerung des Lebens. Sie sieht in ihm, dem Rätselhaft-Unverstehbaren, den Schlüssel zum Verständnis des Daseins. Zugleich aber technisiert sie ihn; macht ihn zur Leistung höchstentwickelter Tötungsapparate, gehandhabt durch einen Staat, dessen politisch-militärische Gesinnung in ihrer Kälte furchtbarer ist als alle früheren Grausamkeiten. Der neuzeitliche Mensch aber kapituliert vor alledem. Er nimmt es an und verliert dadurch seine letzte Menschenehre. Dagegen erhebt das [neue] Dogma Einspruch. Es sagt: Der Tod ist nicht das, als was die herrschende Gesinnung ihn sieht. Er ist Ende und Anfang zugleich. Er hat Anteil am Tode Christi. Er ist ein Geheimnis des Glaubens.

Am Fest der „Aufnahme Marias mit Leib und Seele in den Himmel“ dürfen wir diesem Gedanken und dieser Sehnsucht einmal Raum geben.
Nicht Grab und Gruft sind das Ende, sondern Leben, Licht und Himmelsluft uns verheißen.
Amen.

Pfr. Dr. Andreas Martin
Caritasrektor des DiCV Dresden-Meißen


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