SINGT DEM HERRN EIN LIED, 25. Dezember 2021


Liedbetrachtung zu Weihnachten, 25. Dezember 2021

Ich steh an deiner Krippen hier

 

1 Ich steh an deiner Krippen hier,
o Jesu du mein Leben;
ich komme, bring und schenke dir,
was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Herz, Seel und Mut, nimm alles hin
und laß dir’s wohlgefallen.

2 Da ich noch nicht geboren war,
da bist du mir geboren
und hast mich dir zu eigen gar,
eh ich dich kannt‘, erkoren.
Eh ich durch deine Hand gemacht,
da hast du schon bei dir bedacht,
wie du mein wolltest werden.

3 Ich lag in tiefster Todesnacht,
du warest meine Sonne,
die Sonne, die mir zugebracht
Licht, Leben, Freud und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht
des Glaubens in mir zugericht‘,
wie schön sind deine Strahlen!

4 Ich sehe dich mit Freuden an
und kann mich nicht satt sehen;
und weil ich nun nichts weiter kann,
bleib ich anbetend stehen.
O daß mein Sinn ein Abgrund wär
und meine Seel ein weites Meer,
daß ich dich möchte fassen!

GL 256 ö / EG 37

 

Keine liturgische Zeit des Jahres ist so unübersehbar angefüllt wie der weihnachtliche Festkreis. In immer neuen Hausbüchern finden sich Gedichte, Geschichten, Legenden. Krippenspiele, Anregungen zum Basteln und vieles andere mehr. Viele bekannten Sängerinnen und Sänger bringen CDs mit den bekannten Weihnachtsliedern heraus. In den letzten Jahren entstanden viele neue Lieder besonders für die Kinder. Und schließlich kommen in den Weihnachtkonzerten die vielen klassischen Werke bedeutender Komponisten zu Gehör.

Weihnachten 2021 ist alles anders. Das öffentliche und auch das kirchliche Leben befinden sich in der Zucht der Corona-Pandemie mit immer neuen gefährlichen Mutation en. Die damit verbundenen Einschränkungen bergen dennoch in sich die Chance, manche Kostbarkeit neu zu bedenken sowie längst Bekanntes neu zu entdecken.

Unserer Betrachtungen zu den Sonntagen und festlichen Tagen haben ein bescheidenes Ziel. Eingeladen wird, aus den zum Gottesdienst vorgeschlagenen Liedern, eines auszuwählen und den Blick auf den Text zu richten. Gerade die Advents- und Weihnachtszeit hat so viele Lieder – oft mit einer emotionalen Verbundenheit, die bis in die Kindheit führt. Viele von uns haben ihr Lieblingslied. Es lohnt sich, auch einmal auf die Worte intensiver zu schauen.

Wer kennt nicht den Spruch des schlesischen Lyrikers und Arztes Angelus Silesius (lat. schlesischer Bote für Johannes Scheffler 1624-1677): Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren!

Das im Jahr 1637 verfasste Gedicht Ich steh an deiner Krippen hier von Paul Gerhardt gibt Zeugnis, dass Jesus Christus in seinem Herzen geboren wurde. In barocker Sprache widmet er in 15 Strophen seinen Dank an das Kind in der Krippe, wie sein Leben in das Heilshandeln Jesu vorbedacht und eingebunden worden ist. In unser GOTTESLOB wurden davon nur vier Strophen übernommen. Diese Auswahl sollte aber nicht als inhaltliche Reduzierung verstanden werden, sondern hierin kommt eine tiefempfundene Konzentration auf das Eigentliche zum Ausdruck.

Eh ich durch deine Hand gemacht,
da hast du schon bei dir bedacht,
wie du mein wolltest werden.

Zum persönlichen Gewinn wäre schön, diese vier Strophen auswendig zu kennen. In der französischen Sprache heißt etwas auswendig zu können savoir par coeur – also inwendig, etwas im Herzen zu wissen. Wer sich darauf einlässt, wird beschenkt mit der Freude seiner Hingabe an das göttliche Kind.

In der klassischen Musik sei erinnert, dass Johann Sebastian Bach die erste Strophe des Gedichtes von Paul Gerhardt in seinem Weihnachtsoratorium in einem Chorsatz nach einer älteren Melodie verwandte.

Der evangelische Komponist Johann Eccard veröffentlichte eine fünfstimmige Mottete mit vier Strophen.

In Ehrfurcht vor dem Geheimnis der Menschwerdung des Wortes widmete Wolfgang Amadeus Mozart in seiner 1793 komponierten Messe in C-Moll diesem Glaubenssatz ganze acht Minuten im Credo dem andächtigen Singen der Sopranstimme des

et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine, et homo factus est.

 

Elisabeth Prégardier, Oberhausen


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