Dieser Beitrag zum 20. Sonntag im Jahreskreis, 16. August 2020, ging aufgrund eines Übermittlungsfehlers verloren und wird jetzt nachgereicht.
Was kein Auge geschaut
Manch sonntäglicher Kirchgänger denkt vielleicht: Was ist heute dran? Was wird der Schwerpunkt der Predigt sein? Das Evangelium, die erste oder die zweite Lesung? Ich lasse mich überraschen!
Jedoch der Priester, der sich auf die Eucharistiefeier vorbereitet, fragt sich: Was sollte das Hauptthema meiner Predigt sei? Laien, die den Wortgottesdienst für den Sonntag vorbereiten, wissen, daß sie auf eine Vorlage aus dem Bistum zurückgreifen können, sogar auf eine vorgefertigte Predigt. Dennoch fragen sie sie sich, welcher spontane Zuspruch würde Gläubigen heute gut tun?
Die Texte der sonntäglichen Eucharistiefeier sind heutzutage von vielen Institutionen aus dem Internet abrufbar, doch die wenigsten Kirchgänger sind im Besitz des kleinen, DIN A5 großen Meßbuches des jeweiligen Lesejahres A, B, oder C. Vielleicht, wenn sie die Kirchenzeitung abonniert haben, können sie die Texte zuvor zur Kenntnis nehmen oder auch nachlesen.
Was in früheren Zeiten hinsichtlich Vorbereitung auf die Eucharistiefeier guter Brauch war, hat sich heute verändert. Da gibt es jetzt einen neuen Begriff für viele auf Zukunft gerichtete Lebensbereiche, er heißt: Nachhaltigkeit.
Er gilt nicht nur für Ökonomie, Ökologie, Gesundheit u.a. als Erfolgsfrage, er prägt das Bemühen in der allgemeinen, wie auch religiösen Bildung. Sogar im Evangelium wissen wir um die Frage Jesu: „Habt ihr das alles verstanden?“ Und treuherzig antworteten sie: „Ja!“ Jedoch im weiteren Verlauf der Gefährtenschaft mit Jesus zeigt sich, daß sie nichts verstanden hatten.
So sei auch die heute an uns gerichtete Frage erlaubt, welche Nachhaltigkeit die liturgische Fülle eines jeden Sonntags für uns hat. Was ist geblieben, welcher Satz, welches Wort hat uns bewegt? Vielleicht in diesem Zusammenhang ein methodischer Tipp aus Goethes Faust mit dem Vers: „Ich denke mir wie viel es nützt, denn, was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.“ – Damit ist gemeint, wer über die Liturgie des Sonntags nach-denken möchte, könnte aus dem Gotteshaus ein doppelseitig bedrucktes DIN A4-Blatt mit allen Liturgie-Texten mitnehmen.
Dann kommt die Erinnerung an die 1. und die 2. Lesung und das Evangelium. Es geht um die Berufung des Volkes Israel und der Heiden. Mein Haus wird ein Haus des Gebetes für alle Völker genannt werden, Jes 56,7.
Wer schon einmal in der Pflicht war, den Nachlaß älterer Verwandter aufzuräumen hat manchesmal in den Gebetbüchern handgeschriebene Zettel gefunden, auf dem Gebete und Anrufungen standen. Wahrscheinlich kannten sie diese auswendig zur häufigen stillen Wiederholung im Tageslauf. In der französischen Sprache heißt auswendig wissen „savoir par coeur“. Das heißt doch genau, diese Gebete und Anrufungen inwendig wissen, im Herzen zu tragen.
Wovon lebten die Kranken in den Hospitälern und die älteren Menschen in den Seniorenheimen im „Gefängnis“ der Quarantäne? Mit Sicherheit auch von Gebeten, Liedern und Gedichten, die sie inwendig kannten. Die Menschen sind großgeworden in einer noch nicht von Informationen und Bildern überfluteten Zeit.
Die Anmerkung möchte hinleiten auf einen meist unbeachteten Schatz der sonntäglichen Gebete, die man in der Regel auch nicht mehr ausgedruckt vor sich liegen hat. Es geht um das Tagesgebet, das Gabengebet und das Schlußgebet. Um es mit der zuvor angesprochenen Nachhaltigkeit zu sagen, geht es immer mit der Bitte um die Hilfe Gottes und die Kraft der Eucharistie, um ein vom Glauben bestimmtes Leben und die Erfüllung des veheißenen ewigen Lebens.
Das Tagesgebet des 20. Sonntags im Jahreskreis heißt:
Barmherziger Gott,
was kein Auge geschaut und kein Ohr gehört hat,
hast du denen bereitet, die dich lieben.
Gib uns ein Herz,
das dich in allem und über alles liebt,
damit wir den Reichtum deiner Verheißungen erlangen,
der alles übersteigt, was wir ersehnen.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
Dieses Gebet ist eine Einladung zum Auswendig- Inwendiglernen. Keiner von uns weiß, in welche Situationen er noch kommen wird, in denen solche Worte trösten und stärken können. Vielleicht auch eine Einladung, das Gebet handschriftlich auf einen Zettel zu schreiben, bei sich zu tragen oder ins GOTTESLOB einzulegen. Sollte jemand den Nachlaß ordnen müssen, kann er wahrnehmen, ein Christ kann plötzlich, aber „nicht unerwartet“ sterben.
Konstanze Siegel, Essen