Gedanken zum Karfreitag, 10. April 2020


Das Antlitz Christi – wer wollte es nicht sehen? Es gibt kein lebensechtes Gemälde von ihm, kein Foto mit Wiedererkennungseffekt: „Ah, den kenne ich. Das ist doch Jesus von Nazareth, Christus, Gottes Sohn.“
Die Vision, die wir von ihm haben, ist eine zutiefst persönliche und nicht mittelbar. Wir stellen ihn uns so vor, wie es uns nach ihm verlangt, wie unsere Liebe ihn sich wünscht. Nicht uns ähnlich, aber doch nach unseren Bedürfnissen.
Wir sehen in Jesus gern die majestätische Gestalt, die herausragte aus der Masse, wünschen ihn uns als einen Mann, der, wo immer er auftauchte, sofort alle Blicke auf sich zog, weil er Kraft, Stärke, Machtfülle, Prominenz ausstrahlte. Aber – und das wissen wir aus den Evangelien – so war Jesus nicht. Warum sonst musste Ju-das ihn, hätte man ihn an seiner Statur und seinem Herrscherblick erkannt, ausge-rechnet mit einem Kuss verraten? Nur aufgrund dieses Zeichens konnten ihn die Soldaten trotz der Fackeln inmitten der elf armen Juden, die ihn begleiteten, ausfin-dig machen.
Nein, von der großen Masse ist Jesus nicht wiedererkannt worden. Er drängte sich nicht auf, prägte sich nicht derart ein, dass seine Feinde gezögert hätten, ihn zu bekämpfen. Diejenigen, die von Beginn seines öffentlichen Lebens weder an seine Predigten noch an seine Wunder glaubten, haben nichts Göttliches in seinen Zü-gen entdeckt. Die meisten waren eher davon überzeugt, es mit einem Betrüger zu tun zu haben. Dennoch gab es Menschen, die er auf den ersten Blick in seinen Bann zog, für die sein Dasein genügte, um ihr Herz zu erobern, und für die es nur wenige seiner Worte bedurfte, um alles zu verlassen, was sie besaßen, ihm zu fol-gen, ihn zu lieben. Wie können wir aus dieser widerspruchsvollen und gegensätzli-chen Christus-Vision das wirkliche menschliche Aussehen Jesu herausfiltern?
Wenn wir lieben, spiegelt sich im Antlitz des geliebten Menschen alle Herrlichkeit der Welt wider. Auch Jesus verwandelte sich je nach dem Herzen, in dem er sich widerspiegelte. Aber zu diesem sehr natürlichen Phänomen kam bei ihm noch eine nicht vorherzusehende Beschaffenheit und Tätigkeit der Gnade hinzu. Er blieb nicht nur ein Meister der Seelen, sondern auch Herr über die Spiegelung seines Angesichts in den Herzen der Menschen. Er hat viel mehr Blindgeborene geheilt, als das Evangelium erzählt.
Heute ist Karfreitag. Auf welches Antlitz Jesu blicken wir an diesem Tag, an dem wir uns an seine Passion, seine Verhaftung, seine Verurteilung, seine Kreuzigung, seinen schmachvollen und zutiefst beschämenden Tod erinnern?
Heute ist ein besonderer Karfreitag. Wir können nicht in Gemeinschaft seinen letz-ten Weg mit ihm gehen, weil ein heimtückisches Virus uns zwingt, zu Hause zu bleiben. Und doch können wir gerade in dieser außergewöhnlichen Situation das Antlitz Jesu am Kreuz deutlicher und anschaulicher sehen als je zuvor: In allen, die vom Virus infiziert sind, in allen, denen es bereits den Tod gebracht hat, in allen, die aus den unterschiedlichsten, uns inzwischen zu Hauf bekannten Gründen an der Ausbreitung und den Maßnahmen, die ergriffen werden mussten, leiden oder gar verzweifeln, vor allem aber auch in all den Armen und Ärmsten in den Slums dieser Erde und in den Flüchtlingslagern. Sie verfügen nicht wie wir über ausreichend Nahrung, fließendes Wasser, hohe hygienische Standards und können sich nicht auf einen Staat verlassen, der rettend für die von der Epidemie Betroffenen ein-springt.
Dieser Karfreitag ist nicht der Tag, um blind zu bleiben. Suchen wir das Antlitz Jesu, dieses demütige und doch majestätische Antlitz, das ganz Liebe ist und lassen wir uns von ihm heilen, unsere inneren Augen öffnen. Finden wir es in all denen, die heute seiner und unserer Liebe bedürfen.

Christa Krämer, Stuttgart

GEBET
Gütiger, verzeihender Gott, wie Jesus vom Kreuz her neue Gemeinschaft gestiftet hat, so lass auch uns einander Stütze und Halt sein. Lege in uns die tröstende Zuversicht, dass du uns niemals fallen lässt und uns durch alle Nöte hindurch beistehst. Hilf uns, gerade jetzt unsere scheinbar unbedeutende Sendung zu erkennen, und lass sie Frucht bringen. Lass uns nicht um uns selber kreisen, sondern hilf uns, deine Liebe unter den Menschen zu leben und zu verkünden. Amen.

 


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