Gedanken zum Herz Jesu Fest am Freitag 11. Juni 2021
Das Herz-Jesu Fest war ein unseren Eltern und Großeltern vertrautes Fest mit festen Gebetsgewohnheiten das ganz Jahr über. Bei der Besinnung am heutigen Tag gibt es eine Reihe von Linien, denen man nachgehen könnte. Zum Beispiel der historischen Linie, angefangen bei den Kirchenvätern bis zur Gegenwart. Dann die Beiträge von bedeutenden Persönlichkeiten und Heiligen zur Herz-Jesu-Verehrung, die zahlreichen dem heiligsten Herzen Jesu verpflichteten Ordensgemeinschaften und die dem Herzen Jesu geweihten Kirchen. Dabei sei auch erinnert an vier Frauen, deren Privatoffenbarungen von der Kirche anerkannt und zu liturgischen Festen und Handlungen führten.
Seit 1264 begeht die Gesamtkirche Sollemnitas Sanctissimi Corporis et Sanguinis Christi (Fest des Allerheiligsten Leibes und Blutes Christi), im deutschen Sprachgebrauch Fronleichnam, das zurückgeht auf die Visionen der hl. Juliana von Lüttich.
Papst Pius IX. führte 1856 das Herz-Jesu-Fest auf den Oktavtag nach Fronleichnam für die ganze Kirche ein. Hiermit verbinden sich die reichen Anregungen aus der jahrhundertelang geübten Herz-Jesu-Verehrung, besonders aber aus den Visionen zwischen 1673 und 1675, die Margareta Maria Alacoque in ihrem Kloster Paray-le Monial zuteil geworden waren.
Auf die Privatoffenbarung an die aus Münster/Westf. stammende Ordensfrau Maria Gräfin Droste zu Vischering geht die am 11. Juni 1899 durch Papst Leo XIII. vollzogene Weihe an das Heiligste Herz Jesu zurück. Maria Droste erfuhr in ihrem Kloster der Schwestern vom Guten Hirten in Porto zwar noch von der Weltweihe, erlebte den Herz-Jesu-Tag aber nicht mehr. Denn sie verstarb am 8. Juni 1899 während der Vesper zum ersten Herz-Jesu-Hochfest im Alter von 35 Jahren an Knochentuberkulose.
In unseren Tagen erlebten wir seit dem Jubiläumsjahr 2000 zum Beginn eines neuen Jahrhunderts die Sinngebung des 2. Sonntags nach Ostern als Barmherzigkeitssonntag durch Papst Johannes PauI II., angeregt durch die 1931 erlebten mystischen Eingebungen der polnischen Ordensfrau Maria Faustyna Kowalska.
Wie steht es heute mit der Herz-Jesu-Verehrung? Ist sie heute noch mit dem Enthusiasmus zurückliegender Zeiten verbunden? Wodurch ist sie verlorengegangen? Zumindest in unserem unmittelbar wahrnehmbaren kirchlichen und liturgischen Leben. Was hat sich verändert, dass diese doch eigentlich wesentliche Frömmigkeitsform, die unsere Großeltern und weiter zurückliegende Generationen geprägt hat, keine Rolle mehr spielt? Ich erinnere an dieser Stelle an die treue Einhaltung der Herr-Jesu-Freitage an jedem ersten Freitag eines jeden Monats.
Lassen Sie uns nicht auf soziologische Erhebungen warten, fragen wir uns zuallererst selber.
Wir alle sind Teil von Strömungen und Prägungen. Wenn ich mich frage, wann ich zum ersten Mal etwas gesehen oder gehört habe, was mit dieser Frömmigkeitsform zu tun hat, so geht die Erinnerung weit in die Kindheit zurück. Noch heute sehe ich auf der Kommode meiner lieben Tante Therese eine bunte Herz-Jesu-Figur unter einem Glassturz, deren Bedeutung mir meine Tante erklärte. In der Wohnung meiner auch frommen Eltern gab es allerdings weder eine solche Gipsfigur noch ein gerahmtes Bild. Durch kriegsbedingte Kinderlandverschickung kam ich nach Ulm zu einem sehr netten, jedoch von Nazi-Ideologie geprägten Ehepaar. Von Religion war nicht mehr die Rede.
Erst nach meiner Rückkehr ins Ruhrgebiet und dem Eifer eines Kommunionkindes, alle Maiandachten und Herz-Jesu-Andachten in der Pfarrkirche „mitzunehmen“, wurde ich dahin gelenkt, dass der Glaube auch mit Einübung und Kontinuität verbunden ist. In der Erinnerung geblieben ist vor allem der fromme Duft des Weihrauchs zur Aussetzung des Allerheiligsten. Das Kölner Gebet- und Gesangbuch von 1948 besitze ich noch heute. Nach meinem jetzigen Empfinden waren die Texte der Andachten zu wortreich mit biblischen und theologischen Zitaten bestückt, die das kindliche Fassungsvermögen überstiegen. Wir wurden nicht hinreichend angeleitet, die Stille der Anbetung als eine wesentliche Form der Herz-Jesu-Verehrung zu erfahren und in das Beten eines jungen Menschen und Erwachsenen hineinzunehmen. Als Jugendliche erfuhren wir dann die vehemente Verachtung der vermarkteten Herz-Jesu-Gipsfiguren, ohne dass an die Stelle eine akzeptable Herz-Jesu-Darstellung vermittelt wurde. Ich erinnere mich auch an die Frage einer bekannten Familie: Wohin mit der aus bemaltem Gips bestehenden Herz-Jesu-Figur? In den Müll auf keinen Fall. Mit einer gewissen Ehrfurchtsbezeugung wurde sie dann im Garten tief vergraben.
Dennoch muss ich bemerken, dass später eine Sympathie für die Verehrung des heiligsten Herzens Jesu durch die Betrachtung der liturgischen Texte in unserem vielgeliebten Schott (noch ohne Drittelung in A-B-C Jahre) erfolgte. Den poetischen Eingangsvers zur Herz–Jesu–Messe kannte ich auswendig, genauer gesagt inwendig „Es ist das Sinnen seines Herzen von Geschlecht zu Geschlecht, die Seelen vom Tode zu retten und ihren Hunger zu stillen“ (Psalm 132). Nach und nach gewann die Herz-Jesu-Verehrung einen neuen Standort in meinem Leben und die biblischen und liturgischen Texte erschlossen sich neu.
Welch wunderbare Worte des Propheten Hosea (Hos 11,1-4.8-9) werden heute in der 1. Lesung in der Beschreibung der Liebe Gottes zu seinem Volk zitiert! Die göttliche Liebe übersteigt noch weit die Zärtlichkeit von Vater und Mutter zu ihrem Säugling. Man sollte diese Worte ganz langsam ein zweites Mal lesen, das stärkt auch Eltern in ihrer Zuwendung zu ihrem Kind.
Auch die 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser (Eph 3,8-12.14-19) verdient ein längeres Verweilen im Nachdenken über die Dimensionen der Liebe Christi. Hier bietet sich ein Predigtgespräch mit vier Personen an über die je eigene Deutung der Höhe und Tiefe, der Länge und Breite der göttlichen Raumlehre.
Im Evangelium (Joh 19,31-37) schreibt der Augenzeuge Johannes von Tode Jesu am Kreuz: „Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus.“
Dies ist der zentrale Ausgangspunkt für die Verehrung des heiligsten Herz Jesu.
Bei der Lesung der Passionsgeschichte am Karfreitag verharren in diesem Moment die Gläubigen knieend in Stille.
Ohne an dieser Stelle weiter auf die Messtexte einzugehen, möchte ich zum Ausdruck bringen, dass jedes Kreuz, das Jesus mit der geöffneten Seitenwunde zeigt, das eigentliche Herz-Jesu-Bild ist. Diese Blickrichtung in das eigene Beten einzubeziehen, kann dazu beitragen, eine neue Nähe zur Herz-Jesu-Verehrung zu gewinnen.
Eine große Hilfe auf diesem neuen Weg kann sein, der Herz-Jesu-Litanei einen festen Rhythmus im Verlauf der Woche, besonders aber am Freitag zu geben. Alle Anrufungen haben einen solch reichen Hintergrund, dass es oft schon genügt, sich von einer einzigen Anrufung begleiten zu lassen. Mir geht in diesen Tagen der Klimakrise fortwährend die Anrufung durch den Kopf: „Herz Jesu, du Sehnsucht der Schöpfung von Anbeginn, erbarme dich unser.“
Zum Schluss noch ein Hinweis, auf ein Lied, das sich aus früheren Gesangbüchern in das GOTTESLOB (371) gerettet hat. Das Gedicht wurde 1934 von Franz Johannes Weinrich (1897-1978) geschrieben. Seine Erlebnisse im ersten Weltkrieg und eine 1917 erlittene schwere Verwundung führten ihn zur Kirche. Näher betrachtet, drücken die Verse das aus, was Papst Franziskus uns in seinem Pontifikat ans Herz legen möchte.
O Herz, in Nacht zu uns gesandt, als Schuld den Tod uns brachte!
Wir stachen dich mit Spott und Wut, du tauftest uns mit deinem Blut.
Nun müssen wir dich lieben.
—
Er sendet neu mit dir sich aus als Licht zu Finsternissen.
Du bist die Sonne, wir der Schein, wir können ohne dich nicht sein
und ohne dich nicht lieben.
—
Nimm unsre Herzen ungezählt und mache die zu einem!
Laß uns den Haß, das bittre Leid fortlieben aus der dunklen Zeit;
laß uns dein Reich erscheinen!
Elisabeth Prégardier
Oberhausen
Eine Liste aller „Sonntagsgedanken 2020“ finden Sie » hier.
Eine Liste aller „Sonntagsgedanken 2021“ finden Sie » hier.